Auf dem Weg zurück nach Glarus will Barbara Fierz noch das Gebiet oberhalb des Schwandner Weilers Thon zeigen, ein Bijou von einer lebendigen, kleinteiligen Kulturlandschaft am südöstlichen Fuss des 2900 Meter hohen Vrenelisgärtli. «Ja, es ist schön hier», sagt die Anwältin für die Natur, «aber schauen Sie sich die Hecken und Trockenmauern genauer an. Es geht ihnen nicht gut.» Auf den zweiten Blick wird ersichtlich: Die ursprünglichen Mauern zerfallen zum Teil stark, darauf wachsen Hecken. Was nicht unbedingt schlecht wäre, «man entscheidet sich hinsichtlich des Erhalts je nach Zustand der beiden entweder für die Hecke oder für die Mauer. Doch diese Hecken wurden radikal zurückgeschnitten, schon im Frühjahr sahen sie so aus. Ich sehe keine diesjährigen Schösslinge.»
Eine zu stark und zu oft gestutzte Hecke, die nicht mehr wächst, bietet Vögeln keine Nistplätze mehr, etwa den selten gewordenen Neuntötern, die auf Dornenbüsche angewiesen sind. Der so wertvolle Lebensraum ist für manche in ihm heimische Arten keiner mehr. Es wird still und öde in dieser Landschaft, die oberflächlich noch ansprechend aussieht. Geschulte Augen und Ohren nehmen es sofort wahr. Andere wollen es nicht wahrhaben.
Fehlt einfach das Bewusstsein? Auf die Frage, warum ausgerechnet Landwirte zerstören, was ihre Vorfahren gebaut und gepflegt haben, antwortet Fierz: «Das frage ich mich selbst auch. Vor allem bei den Bäumen. Bei Trockenmauern oder Hecken geht es wohl um die leichtere Bewirtschaftung mit immer grösseren Maschinen. Manchmal aber auch – bei den Hecken – um den Schattenwurf, der den Ertrag verringert.» Vielleicht wollen sich viele Landwirte nicht ‹von oben› sagen lassen, was sie auf ihrem Land tun dürfen und was nicht? «Das kann mit ein Grund sein», sagt Fierz. «Tatsache ist jedenfalls, dass der Erhalt der Biodiversität in der Landwirtschaft noch immer viel zu wenig ernst genommen wird.»
Auf dem Fussmarsch hinunter in den Weiler sagt Fierz nüchtern: «Mit jedem Verlust an Biodiversität sägen wir an unserem Lebensast.» Und wir sind gewaltig am Sägen.» Die Zerstörung von Kulturlandschaft birgt für die Naturschützerin noch eine andere Gefahr: «Ursprüngliche Landschaften und gepflegte Kulturlandschaften berühren uns und sind identitätsstiftend. Wir Menschen suchen diese Orte auf und fühlen uns wohl und geborgen darin. Wenn man die Landschaften zerstört, zerstört man auch einen Teil der Geschichte der Menschen, die darin leben.»