moneta: Christian Zeyer, kürzlich feierte Ihr Verband Swisscleantech an der Hochschule für Technik in Rapperswil seinen zehnten Geburtstag. Im Gespräch mit Simonetta Sommaruga sagten Sie dort bezüglich der Energiewende: «Ich habe den Eindruck, wir sind mutlos geworden.» Wen meinten Sie mit «wir»?
Christian Zeyer: Ich meinte die Schweiz respektive ihre Politik und grosse Teile der Schweizer Wirtschaft. Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen und klammern uns ängstlich am Bestehenden fest.
Swisscleantech versteht sich als Hub der innovativen kleinen und grossen Unternehmen, die sich der Energiewende respektive der Klima-Nachhaltigkeit verschrieben haben. Sind auch Ihre Mitglieder mutlos?
Bei Gesprächen mit unseren Mitgliedern beeindruckt mich immer wieder, wie sehr sie an die Zukunft glauben, die Chancen sehen und diese auch ergreifen wollen. Aber wir sind noch zu wenige. Was wir eigentlich brauchen, ist eine wirkliche Wirtschaftsbewegung für mehr Nachhaltigkeit.
Was braucht es, damit sich mehr Firmen wirklich nachhaltig verhalten?
Sie brauchen Rahmenbedingungen, die sie dabei unterstützen. Heute wird aber oft zerstörerisches Verhalten belohnt und nachhaltiges Engagement bestraft. Die Umwelt gehört allen und kann heute oft unentgeltlich genutzt werden. Dabei nimmt sie Schaden – auf Kosten aller. Deshalb brauchen wir eine Politik, die Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt, die das ändert und einen schonenden Umgang mit der Umwelt profitabel macht.
Simonetta Sommaruga sorgte in Rapperswil für eine hoffnungsvolle Stimmung. Sinngemäss sagte sie: Eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Energiepolitik ist ein Geschenk für den Werkplatz Schweiz, denn die Investitionen bleiben künftig im Land, anstatt in die Golfregion abzufliessen.
Ja! Man muss allerdings auch bedenken: Politik muss in der Schweiz mehrheitsfähig sein. Simonetta Sommaruga kann Flagge zeigen, aber ob dies so stehen bleibt? Das Parlament entscheidet – also diejenigen, die diesen Herbst von uns gewählt werden.
Die Erdölindustrie hat im Parlament eine starke Lobby, mit Vertretern der Erdölvereinigung, von Economiesuisse, dem TCS, der ganzen Automobilbranche. Und Sie?
Wir sind die einzige politische Stimme in der Wirtschaft, die sich branchenübergreifend für solche Veränderungen der Rahmenbedingungen einsetzt. Wir vertreten heute etwas über 300 direkte Mitglieder und 20 Verbände. Bei rund 400 000 Firmen im Land ist das noch nicht die starke Bewegung für eine nachhaltige Wirtschaft, die uns vorschwebt. Wir wollen darum weiterwachsen und stärker werden.
Hat Swisscleantech in Bezug auf seine Mitglieder eigentlich Ausschlusskriterien?
Nein. Bei uns sind alle Firmen willkommen, die mit unserer Charta einverstanden und der Meinung sind, dass es sich lohnt, möglichst bald die CO2-Neutralität zu erreichen.
Arbeiten Sie mit den Umweltverbänden zusammen?
Wir sprechen mit allen. Aber wir verstehen uns als Wirtschaftsbewegung und grenzen uns deshalb bewusst von NGOs ab.
Was halten Sie von den Forderungen der Klimajugend, bis 2030 CO2-neutral zu sein?
Das ist ein hehres Ziel, mit dem sie wahrscheinlich scheitern wird. Nicht wegen der Technologie, sondern wegen der mangelnden Umsetzung seitens der Bevölkerung und der Wirtschaft. Ich sehe in der Schweizer Wirtschaft – ausser bei unseren Mitgliedern – noch zu wenig Aufbruchstimmung. Mir scheint, dass die meisten Menschen zu Hause auf dem Sofa sitzen, die Nachrichten schauen und regungslos mitansehen, was da draussen mit dem Klima und unserer Erde passiert. Sie denken wahrscheinlich, dass es sie nichts angeht. Was sie dabei vergessen: Wenn wir nichts unternehmen, wird es unbequem auf dem Sofa.