Solarpioniere aus der Romandie ­erobern die Deutschschweiz

Die im Jahr 2016 gegründete Firma Younergy ­Solar SA gibt Gas – oder treffender ausgedrückt: Sie gibt Solar­energie. Bis heute hat sie schweizweit 283 ­Ein­familienhäuser mit einer Photovoltaikanlage  ausgerüstet, Ende Jahr könnten es bereits 450 Häuser werden. Und bis Ende des nächsten Jahres möchte Geschäfts­führer ­Pedro Miranda die wichtige Marke von 1000 finanzierten Anlagen erreichen.
Ted Scheidegger, Verwaltungsrat von Younergy Solar SA, ist fest davon überzeugt, dass das junge Unternehmen dies schaffen wird – auch dank der ABS: «Ohne das Engagement der Alternativen Bank wäre es niemals möglich gewesen, dass wir derart durchstarten!», sagt Scheidegger. Mit ­einem Dar­lehen habe die ABS die ersten 50 Dächer mitfinanziert, und seither gehe sie bei jedem Entwick­lungsschritt von Younergy als Partnerin mit. Mittlerweile beläuft sich der Betrag, den die ABS dem ehemaligen Start-up zur Verfügung gestellt hat, auf rund 2,1 Millionen Franken.

Der Kunde muss die Solaranlage nicht bezahlen
Eine Solaranlage für ein Einfamilienhaus kostet in der ­Regel zwischen 15 000 und 20 000 Franken. Für viele ­Eigentümerinnen und Eigentümer ist eine solche Investition nicht einfach zu stemmen. Mit der Idee, ihnen stattdessen ein «Solar-Abo» anzubieten, haben Miranda und seine Partner nun offensichtlich eine Marktlücke entdeckt. Das Prinzip ist einfach: Younergy baut und finanziert die Solaranlage und verkauft den damit gewonnenen Strom an die Bewohnerinnen und Bewohner. Diese verpflichten sich im Gegenzug, den Strom während 20 Jahren zu einem vereinbarten Tarif abzukaufen.

Bei diesem Angebot müssen sich die Hausbesitze­rinnen und -besitzer auch nicht mit anspruchsvollen Baubewilligungen, Bauabnahmen, Fördergeldanträgen oder Unterhaltsarbeiten herumschlagen. Das übernimmt Younergy. «Wir machen das alles und tragen auch ökonomisch das volle Risiko», erklärt Miranda und fügt hinzu: «Es gab durchaus auch Fälle, bei denen wir Lehrgeld bezahlt haben.»
Alles in allem gehe die Rechnung für Younergy aber auf. Auch für die Kundinnen und Kunden: Sie zahlen für den Strom vom eigenen Dach deutlich ­weniger als für ein Solarstromabonnement beim lokalen Energieversorger. «Auf Wunsch bauen wir auch Anlagen für Hausbesitzer, die diese lieber kaufen möchten», sagt Miranda. Ein weiteres Kundensegment sind Schulen oder Unternehmen. Younergy installiert auch Speicherbatterien oder Wärmepumpen und hilft den Kundinnen und Kunden, ihren Stromverbrauch optimal auf die ­Produktionszeiten der installierten Anlagen anzupassen.

Neues Energiegesetz fördert Solarenergie
Mit dem neuen, seit 2018 geltenden Energiegesetz ist in der Schweiz der Bau von Eigenverbrauchsanlagen und vor allem auch die Bildung von Gemeinschaften für den Eigenverbrauch einfacher geworden. Bei diesen sogenannten Zusammenschlüssen zum Eigenverbrauch (ZEV) handelt es sich beispielsweise um Mehrfamilienhäuser, in denen alle Parteien Strom von der Solaranlage auf dem Dach beziehen.
Es sind aber auch Zusammenschlüsse von mehreren Gebäuden erlaubt, die nicht auf demselben Grundstück stehen. Auch in diesem Geschäftsfeld hat Younergy Fuss gefasst: 15 ZEV-Anlagen mit einer Grösse zwischen 8 und 50 Kilowatt Peak* konnte das Unternehmen schon erfolgreich akquirieren, 7 davon liefern bereits Strom.

Rasantes Wachstum
Den grössten Kundenzuwachs verzeichnet die Firma ­derzeit in ihrem ursprünglichen Kerngeschäft: bei den Einfamilienhäusern. Mit der steigenden Anzahl An­lagen vergrössert sich auch das Team: Seit der Unter­nehmensgründung ist die Anzahl der Mitarbeiter von 3 auf 24 gewachsen – Tendenz steigend. Den Anfang machten Pedro Miranda – aufgewachsen in Portugal – und Manuel Cócera García aus Spanien. Die beiden ­Ingenieure lernten sich in Lausanne kennen, wo sie bei einem Solarunternehmen arbeiteten. Die Chemie zwischen den beiden stimmte, deshalb beschlossen sie, sich mit ihrer Solarstrom-Abo-Idee selbstständig zu machen. Kurz darauf kam der aus dem Libanon stammende Jean Paul Noujeim hinzu, der den Vertrieb und das ­Marketing des Start-ups aufbaute. Die drei schafften es, mit geringem Start­kapital in relativ kurzer Zeit rund ein Dutzend Anlagen zu planen. Doch eines war klar: Um die nötige Projekt­finanzierung zu sichern und ­weiteres Wachstum zu ermöglichen, mussten sie weitere ­Partner ins Boot holen.

Auf der Suche nach weiteren Investoren kontaktierte Miranda auf der Business-Plattform LinkedIn Rainer ­Isenrich, den er zuvor nicht persönlich gekannt hatte. Isenrich ist CEO der Edisun Power Europe AG – eines international tätigen Schweizer Unternehmens, das Photo­voltaikanlagen finanziert und betreibt. Isenrich war beeindruckt von Younergy. Er empfahl das innovative Trio an den Solarunternehmer Ted Scheidegger weiter, bei dem die drei Jungunternehmer offene Türen einrannten: «Etwas Ähnliches hätte ich gern bei meiner früheren Tätigkeit bei Siemens umgesetzt», erzählt ­Scheidegger, «die Zeit war damals aber noch nicht reif dafür.» Er beschloss, die Firma als sogenannter ­Business-Angel zu unterstützen und so einen Beitrag zur Schweizer Energiewende zu leisten.

Kostengünstig und innovativ dank Digitalisierung
Digitale Technologien spielen beim Geschäftsmodell von Younergy eine entscheidende Rolle. So passt das Unternehmen die Solaranlagen zwar bei jedem ­Gebäude individuell an, im Hintergrund hat das Team die benötigten Komponenten jedoch vorkonfiguriert und sämtliche Prozesse vom Vertrieb über die Installa­tion bis hin zum Versand der Stromabrechnung digi­talisiert. Dadurch kann das Unternehmen sehr kostengünstig operieren. Dank des hohen Digitalisierungs­grades kann Younergy den Kundinnen und Kunden auch ein persönliches Internetportal zur Verfügung stellen, auf dem diese rund um die Uhr zahlreiche Daten wie etwa die aktuelle Stromproduktion oder den Energieverbrauch abrufen können. Dort ist für die Kundinnen und Kunden auch ersichtlich, wie viel CO2 sie fortlaufend ­einsparen, weil sie den Strommix aus der Steckdose mit Solarstrom vom eigenen Dach ersetzen.

Auch der Arbeitsalltag des Teams ist von modernsten digitalen Technologien geprägt. «Im Büro an unserem Hauptsitz in Lausanne arbeiten meist nur zwei Leute», sagt Miranda. Die anderen sind entweder bei Kundinnen und Kunden, arbeiten stundenweise im Impact Hub, ­einem Co-Working Space für nachhaltig ausgerichtete Unternehmen in Zürich, oder sie sitzen an ihrem Laptop an unterschiedlichen Orten.
Kommuniziert wird meist per Telefon, Skype oder E-Mail. Auch Homeoffice gehört bei Younergy zum Geschäftsmodell. Nebst kurzem Arbeitsweg und tiefen Bürokosten hat dieses System einen weiteren Vorteil: Es fördert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zahlreiche Mitarbeiter hätten kleine Kinder, erklärt Geschäftsführer Miranda. «Wenn wir Flexibilität ­ermöglichen, erhalten wir Engagement und Loyalität zurück.» Auch er sei als Vater zweier Kinder manchmal froh, zu Hause arbeiten zu können.

Expansion nach Graubünden und nach Spanien
Heute stehen rund zwei Drittel der Anlagen von Younergy in der Romandie. Momentane Herausforderung ist es, in der Deutschschweiz weiter Fuss zu fassen. «In Graubünden stehen wir beispielsweise noch am Anfang», sagt Scheidegger, «es braucht einfach seine Zeit, in jeder Region ein gutes Beziehungsnetz aufzubauen und ein passendes Team zu rekrutieren.»
Auch die Expansion ins Ausland ist für Younergy ein Thema: Spanien hat seit Kurzem ein neues, liberaleres Energiegesetz. Geschäftsleitungsmitglied Manuel Cócera García lotet derzeit die Chancen von Younergy in ­seiner alten Heimat aus.

* Die Masseinheit Kilowatt Peak bezeichnet die Spitzenleistung 
einer Solaranlage in kW unter Standardbedingungen.