Es sei ein grosser Schock gewesen, als am 4. Oktober 2017 der Anruf kam. «Ich wollte friedlich meinen Ruhestand geniessen, und plötzlich stehe ich vor den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit als der Wissenschaftler da, der das kalte Wasser erfunden hat.» Jacques Dubochet teilt den Nobelpreis mit seinen Kollegen Joachim Frank aus den USA und Richard Henderson aus Grossbritannien. Sie alle haben mit ihren Forschungsarbeiten die Kryo-Elektronenmikroskopie mit vitrifizierten Proben möglich gemacht. Doch was hat das mit kaltem Wasser zu tun?
Dazu ein Blick zurück in die Achtzigerjahre, als Jacques Dubochet am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg tätig war. Vereinfacht ausgedrückt, muss im Inneren der Säule eines Elektronenmikroskops ein Vakuum aufrechterhalten werden, damit die Elektronen in die Zellstruktur eindringen und diese abbilden können. Und Wasser verdampft im Vakuum. So wurde in der Elektronenmikroskopie während über fünfzig Jahren nur mit getrockneten Proben gearbeitet. «Mein Forschungsprojekt zielte darauf ab, die Proben in ihrem ursprünglichen Zustand zu bewahren, indem sie bei so tiefen Temperaturen verwendet werden, dass das Wasser nicht verdampft. Das ist, was man unter Kryo-Elektronenmikroskopie versteht. Doch bei so tiefen Temperaturen gefriert Wasser, und Eis zerstört die Proben gleich wie Austrocknung», fasst Dubochet zusammen. Wie kann also mit wässrigen Proben gearbeitet werden? Hier kommt die Vitrifizierung ins Spiel, eine Art Schockgefrieren, bei der eine Flüssigkeit fest wird, ohne dass sie kristallisiert. Jacques Dubochet erinnert sich genau an den Augenblick im Jahr 1980, als sein Kollege Alasdair McDowall und er im Mikroskop einen gefrorenen Wassertropfen beobachteten, den sie langsam erwärmten. Bei –135 °C verwandelte sich diese plötzlich in kubische Eiskristalle, in vitrifiziertes Wasser. «Die Vitrifizierung von Wasser galt bis dahin als unmöglich! Können Sie sich vorstellen, wie wir uns da gefühlt haben?»