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04.12.2019 von Muriel Raemy

Ein Gütesiegel für verantwortungsvolle Unternehmen

Die NGO B Lab setzt sich dafür ein, dass die globale Wirtschaft sozialer und ökologischer wird, und zeichnet nachhaltige Unternehmen mit dem Zertifikat «B Corp» aus. Seit 2017 ist die in den USA gegründete NGO auch in der Schweiz aktiv. Wir haben uns mit Jonathan Normand, dem Gründer und Direktor von B Lab Switzerland, unterhalten.

Artikel in Thema Mensch, KMU!
Foto: zvg
moneta: Jonathan Normand, mit dem BIA, dem «B Impact Assessment»-Tool, bieten Sie ein standardisiertes In­strument, mit dem Unternehmen messen können, wie nachhaltig sie sind. Wie funktioniert das?
Jonathan Normand: Das BIA wird online ­kostenlos zur Verfügung gestellt und ermöglicht Unternehmen, zu prüfen, in­wiefern ihre Geschäftstätigkeit mit den 17 Uno-Zielen für nachhaltige Ent­wicklung übereinstimmt. Unter die Lupe ­genommen werden beispielsweise die Unternehmensführung, das Personal, die ­Zusammenarbeit mit lokalen Ge­meinschaften, die Umweltfreundlichkeit, der Umgang mit der Kundschaft sowie den ­Lieferantinnen und Lieferanten. Die Ergebnisse werden mit ­jenen von Unternehmen mit ähnlichem Profil (Grösse, Branche) ­verglichen. So wird aufgezeigt, in welchen Bereichen die Firma bei­spielhaft agiert und wo Verbesserungs­potenzial besteht. In der Schweiz nutzen bereits 1600 Unter­nehmen das Tool, weltweit sind es rund 60 000.

Etwas zu messen, ist das eine, Verbesserungen zu implementieren, das andere. Überfordert diese Aufgabe nicht die ­Führungskompetenzen mancher Unternehmerinnen und Unternehmer?
Mit der B-Corp-Zertifizierung wollen wir eine Bewegung schaffen, innerhalb derer die Pioniere, die mit ihrem sozialen En­gagement erfolgreich sind, als Katalysatoren wirken. B Lab organisiert weltweit Events, um Unternehmerinnen und Unternehmer, die mitmachen möchten, zu ­unterstützen und zu ermutigen. So hat B Lab Switzerland 2018 das Pilotprogramm «Best for Geneva» lanciert, an dem 340 Unternehmen aus dem Raum Genf teilge­nommen haben. Eine grosse Anzahl von Partnern – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Unternehmen, Wirtschaftsförderorganisationen, Dachverbände – boten Workshops und Vorträge zu Themen wie kollektive Intelligenz, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Mobilität, verantwortungsvoller Einkauf usw. an. 2020 starten wir zusammen mit der Schweizer ­Plattform der Global Compact Initiative der Uno und mit Unterstützung des Bundes das nationale Programm «Swiss Triple Impact». Wir rechnen mit der Teilnahme von rund 3000 Unternehmen schweizweit.

Was genau ist die B-Corp-Zertifizierung?
Sie beruht auf dem Ergebnis des B Impact Assessment. Ein Unternehmen, das die Zertifizierung beantragt, muss mindestens 80 von möglichen 250 Punkten erzielt ­haben. Zum Vergleich: Ein «klassisches» Schweizer Unternehmen erreicht ungefähr 65 Punkte. 40 Prozent der Unternehmen schaffen die Zertifizierung nicht im  ersten Anlauf. Bisher sind weltweit nur 3100 Unternehmen zertifiziert, davon 31 in der Schweiz. Dazu gehören unter anderen Lombard Odier, Opaline, 7 Peaks, die Ser­beco-Gruppe sowie Ecorobotix. Das Auswahl­komitee besteht aus rund 30 ­Mitgliedern, welche die Angaben der Unter­nehmen evaluieren. So wird ­unsere Glaubwürdigkeit sichergestellt.

Wie stellt man sicher, dass die guten ­Absichten der Unternehmen nicht von den Aktionärinnen und Aktionären ­zunichtegemacht werden?
Tatsächlich fehlt eine starke Regulierung. Wir verlangen von den zertifizierten Unternehmen, dass sie ihre Statuten anpassen und das soziale und ökologische Engagement darin verankern. In einigen Ländern mussten neue Rechtsformen für Unter­nehmen geschaffen werden. In der Schweiz stellt sich das Problem nicht, da die verschiedenen Gesellschaftsformen genügend Flexibilität bieten.

Haben die Unternehmen ein Interesse daran, ihre gesellschaftliche Verant­wortung wahrzunehmen?
Ja, und das nicht nur aus ethischen Gründen. Werfen Sie einen Blick auf die Statis­tiken: Die Angehörigen der jungen Generation haben andere Anforderungen an die Unternehmen, für die sie arbeiten, deren Produkte sie konsumieren und in die sie investieren möchten. Sie sind kritisch und zögern nicht, Unternehmen für ihr wirtschaftliches Verhalten oder ihre politische Gesinnung abzustrafen. Diese Generation wird in den nächsten zehn Jahren 40 bis 50 Prozent der Führungskräfte ersetzen, die in den Ruhestand treten. Darin liegt eine noch nie da gewesene Chance. Die Akteure auf dem freien Markt kommen nicht ­umhin, das zu berücksichtigen.

Weitere Informationen

Jonathan Normand ist ­Mathematiker und hat zwölf Jahre bei internationalen ­Finanzinstituten gearbeitet. Er ist auf die globale (in­klusive) Performance und das nachhaltige Wachstum von Unternehmen spezia­lisiert und interessiert sich für die Weiterentwicklung der Wirtschaft. Er hält Vorträge und lehrt an verschiedenen europäischen Universitäten. 2013 hat er sich am Aufbau der NGO B Lab in ­Europa beteiligt, 2017 hat er B Lab Switzerland ge­gründet, das er heute leitet.
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