moneta: Jonathan Normand, mit dem BIA, dem «B Impact Assessment»-Tool, bieten Sie ein standardisiertes Instrument, mit dem Unternehmen messen können, wie nachhaltig sie sind. Wie funktioniert das? Jonathan Normand: Das BIA wird online kostenlos zur Verfügung gestellt und ermöglicht Unternehmen, zu prüfen, inwiefern ihre Geschäftstätigkeit mit den
17 Uno-Zielen für nachhaltige Entwicklung übereinstimmt. Unter die Lupe genommen werden beispielsweise die Unternehmensführung, das Personal, die Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften, die Umweltfreundlichkeit, der Umgang mit der Kundschaft sowie den Lieferantinnen und Lieferanten. Die Ergebnisse werden mit jenen von Unternehmen mit ähnlichem Profil (Grösse, Branche) verglichen. So wird aufgezeigt, in welchen Bereichen die Firma beispielhaft agiert und wo Verbesserungspotenzial besteht. In der Schweiz nutzen bereits 1600 Unternehmen das Tool, weltweit sind es rund 60 000.
Etwas zu messen, ist das eine, Verbesserungen zu implementieren, das andere. Überfordert diese Aufgabe nicht die Führungskompetenzen mancher Unternehmerinnen und Unternehmer? Mit der
B-Corp-Zertifizierung wollen wir eine Bewegung schaffen, innerhalb derer die Pioniere, die mit ihrem sozialen Engagement erfolgreich sind, als Katalysatoren wirken. B Lab organisiert weltweit Events, um Unternehmerinnen und Unternehmer, die mitmachen möchten, zu unterstützen und zu ermutigen. So hat B Lab Switzerland 2018 das Pilotprogramm
«Best for Geneva» lanciert, an dem 340 Unternehmen aus dem Raum Genf teilgenommen haben. Eine grosse Anzahl von Partnern – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Unternehmen, Wirtschaftsförderorganisationen, Dachverbände – boten Workshops und Vorträge zu Themen wie kollektive Intelligenz, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Mobilität, verantwortungsvoller Einkauf usw. an. 2020 starten wir zusammen mit der Schweizer Plattform der
Global Compact Initiative der Uno und mit Unterstützung des Bundes das nationale Programm
«Swiss Triple Impact». Wir rechnen mit der Teilnahme von rund 3000 Unternehmen schweizweit.
Was genau ist die B-Corp-Zertifizierung? Sie beruht auf dem Ergebnis des B Impact Assessment. Ein Unternehmen, das die Zertifizierung beantragt, muss mindestens 80 von möglichen 250 Punkten erzielt haben. Zum Vergleich: Ein «klassisches» Schweizer Unternehmen erreicht ungefähr 65 Punkte. 40 Prozent der Unternehmen schaffen die Zertifizierung nicht im ersten Anlauf. Bisher sind weltweit nur 3100 Unternehmen zertifiziert, davon 31 in der Schweiz. Dazu gehören unter anderen Lombard Odier, Opaline, 7 Peaks, die Serbeco-Gruppe sowie Ecorobotix. Das Auswahlkomitee besteht aus rund 30 Mitgliedern, welche die Angaben der Unternehmen evaluieren. So wird unsere Glaubwürdigkeit sichergestellt.
Wie stellt man sicher, dass die guten Absichten der Unternehmen nicht von den Aktionärinnen und Aktionären zunichtegemacht werden? Tatsächlich fehlt eine starke Regulierung. Wir verlangen von den zertifizierten Unternehmen, dass sie ihre Statuten anpassen und das soziale und ökologische Engagement darin verankern. In einigen Ländern mussten neue Rechtsformen für Unternehmen geschaffen werden. In der Schweiz stellt sich das Problem nicht, da die verschiedenen Gesellschaftsformen genügend Flexibilität bieten.
Haben die Unternehmen ein Interesse daran, ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen? Ja, und das nicht nur aus ethischen Gründen. Werfen Sie einen Blick auf die Statistiken: Die Angehörigen der jungen Generation haben andere Anforderungen an die Unternehmen, für die sie arbeiten, deren Produkte sie konsumieren und in die sie investieren möchten. Sie sind kritisch und zögern nicht, Unternehmen für ihr wirtschaftliches Verhalten oder ihre politische Gesinnung abzustrafen. Diese Generation wird in den nächsten zehn Jahren 40 bis 50 Prozent der Führungskräfte ersetzen, die in den Ruhestand treten. Darin liegt eine noch nie da gewesene Chance. Die Akteure auf dem freien Markt kommen nicht umhin, das zu berücksichtigen.