«Arme Schweiz» titelte die deutsche Wochenzeitung «Zeit» im Oktober 2008. Die Krise der UBS werde zur Schicksalsfrage. Zehn Jahre später wissen wir: Alles nochmals gut gegangen, die UBS wurde von Bund und Nationalbank erfolgreich gerettet. Als darauf der Schweizer Franken immer stärker wurde – vor allem infolge der anhaltenden Krise im Euroraum –, hatte die exportorientierte Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (MEM) Mühe, wettbewerbsfähig zu bleiben, und es gab zweimal Entlassungen und Kurzarbeit. Zu einem hohen oder kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit zwischen 2008 und 2018 kam es indes nicht. So viel ist allgemein bekannt.
Kann man die Finanzkrise aus Schweizer Perspektive mit diesen Themen als erledigt abhaken, ist alles gesagt? Mitnichten. «Das vordergründige Bild täuscht», sagt Bettina Fredrich. Sie leitet bei Caritas die Fachstelle Sozialpolitik. «Nachdem insbesondere im gewerblich-industriellen Bereich etliche ihre Stelle verloren hatten, wurde es vor allem für die Niedrigqualifizierten unter ihnen schwierig, wieder Fuss zu fassen. Es gibt für sie seither deutlich weniger Stellen auf dem Markt.» Die Arbeitslosenquote vermittle denn auch ein einseitiges Bild, sagt Fredrich und verweist auf die Aussteuerungen. Hier zeigt sich: Wurden vor der Krise in einem Jahr mehr, dann wieder weniger Arbeitslose ausgesteuert, so steigt ihre Zahl seit 2008 kontinuierlich an. 2017 verloren beinahe 40 000 Menschen ihr Anrecht auf Zahlungen aus der Arbeitslosenversicherung – das sind doppelt so viele wie 2008. «Die meisten finden wir später in der Sozialhilfe wieder», stellt Bettina Fredrich fest. Dass Leute, die im Niedriglohnbereich ihren Job verlieren, trotz brummender Wirtschaft nicht mehr zurück in den Arbeitsmarkt finden, beobachtet sie als generelle Entwicklung: «Jobs verschwinden aufgrund des technologischen Fortschritts oder weil sie ausgelagert werden – die Finanzkrise hat diesen Prozess beschleunigt.»