Aus welchen Ländern die aktuell rund 3000 Milliarden ausländischer Vermögen stammen, die von der Schweiz aus verwaltet werden, und ob sie in ihren Herkunftsländern versteuert werden, geben nach wie vor weder die Banken noch die Schweizer Behörden bekannt. Auch der internationale automatische Informationsaustausch von Bankkundendaten zwischen Steuerbehörden (AIA) hilft hier nur bedingt weiter: Die Schweiz aktiviert ihn bis auf Weiteres nur mit EU-Ländern, einigen wichtigen Finanzplätzen in Asien und aufstrebenden Schwellenländern. Nur dort also, wo gewichtige Eigeninteressen der Schweizer Wirtschaft auf dem Spiel stehen. Ahnungslos bleiben derweil ausgerechnet die Behörden der ärmeren und ärmsten Länder der Welt. Deren Bevölkerungen und Gemeinwesen wären am dringendsten auf öffentliche Gelder für den Aufbau von Infrastrukturen in der Gesundheit, der Bildung oder dem Verkehr angewiesen. Ein Milliardär aus Sambia aber, der sein Geld mit Engagements im Rohstoffsektor verdient, kann es weiterhin unbehelligt vor den schweizerischen und sambischen Behörden in jenen transnationalen Offshore-Strukturen verstecken, die ihm über den Schweizer Finanzplatz zugänglich sind.
Für alle, die an diesen nicht direkt (Vermögensverwalter, Anwaltskanzleien, Investmentbanken oder Beratungsfirmen) oder im besten Fall indirekt (Schweizer Steuerbehörden) beteiligt sind, bleiben sie fast immer unsichtbar. Das bedeutet, dass Staaten nur im Verbund sicherstellen können, dass Offshore-Gelder flächendeckend versteuert und sinnvoll gesellschaftlich umverteilt werden. Und eben das wäre nötig, wenn man die grassierende weltweite Ungleichheit der Vermögen wirklich bekämpfen wollte, die vielerorts den Erhalt oder den Aufbau demokratischer Gemeinwesen behindert. Es bräuchte nicht nur mehr und gleichberechtigte Informationsflüsse zwischen Staaten, sondern auch öffentlich zugängliche Register, in denen wirtschaftlich Berechtigte von Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen oder Buchhaltungsdaten globaler Konzerne verzeichnet sind. Erst diese würden wirkliche Transparenz ins Finanzsystem bringen – vor allem im globalen Süden, aber auch anderswo kritischen Bürgerinnen, Journalisten oder Nichtregierungsorganisationen ermöglichen, ihre Eliten auf politischer Ebene zu mehr Verantwortung gegenüber ihren Gemeinwesen zu verpflichten; unabhängig vom Wissen und von der Praxis teilweise befangener, korrupter oder schlicht überforderter Behörden.
Die Kapitalverschleierungsstrukturen im Offshore-System sind also längst transnational organisiert. Dieser Umstand befreit aber einzelne Länder mit einer starken Finanzindustrie nicht von ihrer besonderen Verantwortung, die sie für die Weltgesellschaft tragen. Heute ist das Finanzsystem marode und voller rechtsfreier Räume: Der Washingtoner Think-Tank Global Financial Integrity (GFI) schätzt, dass im Jahr 2014 auf Offshore-Wegen allein aus Entwicklungs- und Schwellenländern eine Billion Dollar in Form von sogenannten unlauteren Finanzflüssen abgeflossen ist. Dazu zählt GFI Gelder aus Korruption, Geldwäscherei, Steuerbetrug und Steuervermeidung von reichen Privatpersonen und Firmen. Zum Vergleich: Die gesamte weltweite Entwicklungszusammenarbeit hat aktuell ein Volumen von etwa 160 Milliarden Dollar pro Jahr. Für die Finanzierung der neuen Nachhaltigkeitsziele in der Agenda 2030 der Uno bräuchte es weltweit 5000 bis 7000 Milliarden jährlich, also etwa genauso viel, wie an Vermögen auf Schweizer Banken liegt.