Kryptowährungen und das Prinzip der Blockchain sind derzeit in aller Munde. Was steckt hinter dem Hype? Die Meinungen gehen weit auseinander: vom neuen Spielfeld für freien Markt und ungehemmter Spekulation zum Heilsbringer, dank dem es gelingt, die entscheidenden Schwächen des Finanzsystems zu überwinden. Unterstützen oder unterbinden? Die grossen Player und die Behörden sind noch ziemlich ratlos. Was die Betreiber freut – denn die bewusste Ansiedlung in einem rechtlichen Vakuum ist zentraler Teil der Kryptowährungsphilosophie. Kein Staat und keine Gesetze sollen das dezentralisierte Geld einschränken; so war die Idee von Anfang an konzipiert. Was aber natürlich zur Folge hatte, dass der Stern von Bitcoin und Konsorten in unmittelbarer Nähe von Schwarzmärkten, Geldwäscherei und dem Handel mit illegalen Gütern aufging. Wie soll so ein System einen Beitrag zu einer lebenswerten und gerechten Welt leisten?
Bitcoin wurde nicht von Gaunern erfunden – die Alternativwährung war ursprünglich als unabhängiges digitales Geld für Mikrotransaktionen gedacht. Das Ziel: eine unkomplizierte, schnelle, günstige und sichere Geldabwicklung ohne zentrale Kontrollinstanz. Um dies zu erreichen, wurde auf Dezentralisierung, Transparenz und Kryptografie gesetzt – und damit auf eine komplexe und für Laien schwer nachvollziehbare Funktionsweise.
Versuchen wir es trotzdem: Möchte Anna 3 Bitcoins an Jonas überweisen, teilt sie dies dem Netzwerk anhand einer von ihr signierten Nachricht mit. Jeder Knotenpunkt überprüft dann anhand der öffentlichen Blockchain – eine Art dezentralisierte Buchhaltung –, ob Anna tatsächlich so viel Geld besitzt. Ist alles korrekt, kann die Transaktion an die Blockchain «angefügt» und ausgeführt werden. Wie bei einer Kette hängen bei der Blockchain einzelne Blöcke – beschrieben mit den Transaktionen der letzten paar Minuten – aneinander. Jeder Block baut dabei kryptografisch auf dem vorigen auf. Dies verhindert die nachträgliche Manipulation der Blockchain. Möchte jemand eine schon verbuchte Transaktion ändern, müsste die gesamte Kette umgeschrieben werden.
Zwischen Transparenz und Anonymität
Eine Besonderheit der Blockchain ist ihre komplette Durchsichtigkeit: Jede Transaktion ist öffentlich einsehbar. Dies ist für das Funktionieren einer Kryptowährung essenziell, denn das nötige Vertrauen entsteht nicht durch eine zentrale Instanz, die absolute Verlässlichkeit vermittelt. Stattdessen muss das Vertrauen sozusagen auf alle verteilt werden. Selbstverständlich erlaubt die lückenlose Transparenz auch, sämtliche Geldflüsse im Netzwerk nachzuverfolgen. So ist jederzeit für alle ersichtlich, wer an welche Adresse wie viel Geld überwies.
Was nach einer kompletten Revolution des Finanzsystems aussieht, ist es allerdings nur zur Hälfte. Denn die Nutzerinnen und Nutzer von Kryptowährungen bleiben im Schutz der digitalen Anonymität: Sie lassen sich in der realen Welt nicht ohne Weiteres identifizieren. Das scheint paradox. Bitcoin ist transparent und gleichzeitig sehr anonym, was eine Grundprämisse vieler digitaler Initiativen widerspiegelt: Die Möglichkeit staatlicher Überwachung soll eingeschränkt und die Identitäten im Netzwerk sollen geheim gehalten werden. Dass die Anonymität dazu verlockt, mit Kryptowährungen online illegale Güter einzukaufen, versteht sich – und auch Betrug, Geldwäsche oder Steuerhinterziehung lassen sich mit diesen Währungen abwickeln. Dabei geht jedoch vergessen, dass die Transaktionen selbst zwar anonym sind, das weitere Verhalten im Internet sich mit entsprechendem Aufwand jedoch durchaus rückverfolgen lässt. Überhaupt: Der Vergleich mit Bargeld zeigt, dass die grosse Angst vor Missbrauch irreführend ist – bestehen, dieselben Möglichkeiten doch bereits heute. Auch bei Bargeld gibt es eine grosse Anonymität und wenig Möglichkeit, einmal Verlorenes, zu viel Bezahltes oder Gestohlenes zurückzuholen. Die Anonymität eines Zahlungsmittels dürfe also nicht als Totschlagargument dienen, meinte die Journalistin Maria Bustillos bereits 2013 im «New Yorker»: «Bargeld ist anonym. Es wird ebenfalls zur Geldwäsche und für illegale Transaktionen verwendet.» Deswegen wird Bargeld aber nicht prinzipiell verteufelt.
Nachhaltigkeit dank Dezentralisierung
Auch wenn die Transparenz von Kryptowährungen noch verbesserungswürdig ist, gibt es neben den dunklen Stellen auch echte Lichtblicke. Das Prinzip der dezentralisierten Buchhaltung bringt die Rückverfolgbarkeit von Transaktionen und gibt die Informationshoheit an die Benutzerinnen und Benutzer zurück. So werden die Geldflüsse nicht unzugänglich auf den Servern von Banken gespeichert, sondern sind öffentlich. Das ermöglicht die unabhängige Analyse und Suche nach Geldwäsche oder Steuerhinterziehung. Dank der Unveränderbarkeit der Blockchain ist es zudem nicht möglich, Transaktionen im Nachhinein unter den Teppich zu kehren oder zu manipulieren. Wobei es da schon wieder ein Aber gibt: Es sind bereits verschiedene Tools aufgetaucht, die das eigene Verhalten verschleiern sollen. Es wird also internationale Regulierungen brauchen, damit Kryptowährungen nicht missbraucht werden.
Darüber hinaus liegt in der Dezentralisierung die Grundlage, den Austausch vieler Dienstleistungen und Güter effizienter und ressourcenschonender zu gestalten, weshalb die Blockchain auch bei den Vereinten Nationen auf dem Radar ist. Die Blockchain könnte beispielsweise die Lenkung und Nachhaltigkeit von gemeinsamen Aktionen gegen den Klimawandel verbessern – für vielversprechend hält man das besonders beim Handel mit sauberer Energie. Ein auf der Blockchain aufbauendes Netzwerk könnte zum Beispiel Solarstrom-Produzenten direkt mit Konsumentinnen und Konsumenten verbinden und dadurch den Austausch von Strom und Geld sicher, effizient und ohne Zwischenschritte gestalten.
Kommentar der ABS
Kryptowährungen für eine bessere Welt?
Text: Simon RindlisbacherWas hält eigentlich die ABS von Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum? Unsere Antwort auf diese Frage ist momentan nicht sehr spektakulär: Wir beobachten und lernen. Eine abschliessende Position zu beziehen, ist – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nicht möglich. Aus unserer Sicht sind Kryptowährungen für sich betrachtet nicht einfach gut oder schlecht. Sie sind ein digitales Instrument, das auf der Blockchain-Technologie basiert und unterschiedlich genutzt werden kann. Für uns als sozial-ökologische Bank ist die zentrale Frage, ob man dieses Instrument so einsetzen kann, dass es das Finanzwesen und die Wirtschaft weltverträglicher macht.
Wenn Kryptowährungen für illegale Machenschaften eingesetzt werden, weil sie nicht reguliert und anonym sind, ist das sicher nicht der Fall. Genauso wenig, wie wenn Spekulantinnen und Spekulanten in der Hoffnung auf eine grosse Rendite in Kryptowährungen investieren. Denn solche Investitionen sind nicht nur einer der Gründe, weshalb gewisse Kryptowährungen enorm viel Strom verbrauchen, sie tragen auch dazu bei, dass ihr Wert stark schwankt. Mehr Stabilität wäre aber nötig, um Kryptowährungen zu einem brauchbaren Zahlungsmittel zu machen. Und als solches könnten sie durchaus dazu beitragen, dass die Welt sozialer und ökologischer wird. Zum Beispiel, wenn sie Migrantinnen und Migranten die Möglichkeit geben, preiswert Geld in ihre Heimat zu überweisen. Oder wenn Kryptowährungen für Menschen ohne Zugang zum traditionellen Bankensystem zur Ersatzbank werden, mit der sie Zahlungen einfach und günstig abwickeln können. Alles, was diese Menschen dazu bräuchten, wären ein Smartphone und ein Internetzugang. Schliesslich könnten Kryptowährungen aber auch als Zahlungsmittel verschiedene Genossenschaften weltweit verbinden, quasi wie Regiogeld, einfach weltumspannend. So würden sie zum Schmiermittel einer anderen, solidarischen Wirtschaft.
Kryptowährungen bergen also durchaus viele Chancen und könnten der Motor für Visionen sein, die nahe bei dem sind, was wir als Bank auch anstreben. Was die Güterabwägung zurzeit schwierig macht, ist, dass die negativen Seiten von Kryptowährungen bereits bekannt sind. Wie gross die positiven Auswirkungen sind, muss sich hingegen erst noch zeigen. Ganz nach dem Vorsorgeprinzip, das wir in unseren Anlage- und Kreditrichtlinien festgelegt haben, halten wir uns daher vorerst zurück und empfehlen diese Haltung auch unseren ethisch bedachten Kundinnen und Kunden.
Florian Wüstholz ist freier Journalist.
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