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18.03.2020 von Esther Banz

Vermächtnis für die Zukunft

Die Meili-Erben investieren schon länger in Projekte, die sie für gesellschaftlich relevant halten. Tobias Rihs wurde erst kürzlich durch ­Erbe zum Multimillionär. Nun macht die Klima­erhitzung sie alle zu Aktivisten.

Artikel in Thema Erben
Illustration: Claudine Etter
Die Gebrüder Meili sind seit 2015 vielen ein Begriff. ­Daniel, Martin und der im letzten Jahr verstorbene Marcel Meili engagierten sich damals als Millionenerben im Kampf um eine nationale Erbschaftssteuer zugunsten der AHV – nicht etwa gegen das Anliegen, sondern dafür. Die Stimmberechtigten, die von der Umverteilung mehrheitlich profitiert hätten, wollten an der Urne nichts davon wissen. Meilis wandten sich wieder anderen Projekten zu, um ihr vieles Geld auf möglichst sinnvolle Art und für die Gesellschaft einzusetzen. Dank ­ihnen konnte beispielsweise das unabhängige Online-Magazin «Republik» starten, und auch an mehreren Umwelt- und Klimaprojekten sind sie bereits beteiligt.

Erbvorbezug für Kulturprojekte

Meilis haben viel Geld vom Vater geerbt. Und sie reden darüber – was hierzulande eher unüblich ist. Genaue Zahlen verraten zwar auch sie nicht, wohl aber, wie sie investieren. Denn sie sähen gern, dass ihr Modell Schule macht. Mit einem schlechten Gewissen ob des vielen Geldes, das sie besitzen, ohne etwas dafür getan haben zu müssen, habe ihr Engagement nichts zu tun, sagen Martin und Daniel Meili mit Nachdruck in der eleganten Wohnung des jüngeren Daniel im Zürcher Kreis 4. Aber, so Martin: «Ein Problem hatten wir schon. Nämlich die Frage: Was machen wir mit dem ganzen Vermögen?!»

Es fing Anfang der Neunzigerjahre mit der Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk und einem zweiten unkonventionellen Hausprojekt an – sie konnten damals ihren noch lebenden Vater, der mit der Erfindung des automatischen Feuermelders reich geworden war, von ihren Vorhaben überzeugen und einen Teil ihres ­Erbes vorbeziehen. Die drei Brüder waren bereits in ihren Berufen etabliert, Marcel als Architekt, Martin als Arzt, Daniel als Psychiater. Martin Meili: «Nach den beiden Projekten fanden wir: Jetzt könnten wir doch eigentlich in diesem Stil weitermachen. So haben wir mit unserem Vater vereinbart, dass er uns einen erheblichen Teil seiner Erbschaft als Vorbezug gibt.» Das war der Anfang der Datuma AG für Projekte; und eines der ersten Projekte war das Kino RiffRaff in Zürich. Es sollten verschiedenste weitere Kulturprojekte folgen; insbesondere in (Kunst-)Buchverlage investierten sie.

Ohne Umverteilung keine Freiheit

Die Gebrüder Meili sagen von sich: «Wir interessieren uns nicht für Villen, Jachten und dergleichen. Auch mit dem ewigen Ruf der FDP nach weniger Staat für mehr Freiheit können wir nichts anfangen. Wir sind im Gegenteil der Meinung: Durch den Staat gibt es überhaupt erst die Möglichkeit, in Freiheit zu denken – dadurch, dass Grundlegendes wie Gesundheit, Bildung, ­öffentlicher Verkehr, Sicherheit und Soziales über ihn geregelt werden. Und das braucht Geld.» Wo nicht umverteilt werde, entstünden Oligarchien. 

Ihr politisches und soziales Bewusstsein kommt nicht von ungefähr, es sei zum einen familiär geprägt, sagen beide, aber es gebe selbstverständlich auch gegenwartsgeschichtliche Anteile: Als Teenager erlebten sie noch die 68er-Bewegung, als junge Erwachsene die Zürcher Jugendunruhen. Und später war Daniel Meili einer der Ärzte auf dem Platzspitz und massgeblich am Aufbau der kontrollierten Heroin- und Methadonabgabe beteiligt. In jüngerer Zeit haben sie sich auch in der Rettung von Geflüchteten engagiert, indem sie Nachtsichtgeräte zum Erkennen von Booten finanzierten. Heute, nach Investitionen in den Bereichen Energie und Ressourcen, Gesundheit und Kultur, wollen sie stärker fokussieren – «es ist nicht gut, alles machen zu wollen», sagt Martin Meili, «man muss sich festlegen».

« Mit dem Vererben bis zum Tod zu warten, bedeutet in der ­heutigen Zeit so viel, wie das Geld das WC runterzuspülen.»
Martin und Daniel Meili

Mit Millionen gegen die Klimaerhitzung

Ihr neues Projekt heisst «Vermächtnis für die Zukunft». Es geht ihnen um nichts weniger als Gegenmassnahmen zur Klimakatastrophe. Und es eilt, sind die Enkel von Alfred de Quervain, einem der ersten Klimaforscher weltweit, überzeugt. Daniel Meili: «Es gibt Leute, die der Meinung sind, dass es nicht so schlimm sei, wenn die Menschheit demnächst zu zwei Dritteln aussterbe. Für mich ist das nicht die erbaulichste Perspektive.» Deshalb rufen sie Leute, die Geld haben, dazu auf, «es aktiv in diese Thematik zu investieren – und zwar sowohl privatwirtschaftlich wie auch in der politischen Einflussnahme».
 
Meilis, die auch die Kampagne zur Gletscherinitiative unterstützen werden, suchen derzeit andere Vermögende, die mit ihnen zusammen in Projekte mit grosser Hebelwirkung investieren – Projekte, für die es jetzt Investitionen von 50, 100, 500 Millionen Franken braucht. Die ­Brüder sind zuversichtlich, dass genug Geld zusammenkommen wird, denn wer einigermassen informiert sei punkto Klimawandel, wisse: «Mit dem Vererben bis zum Tod zu warten, bedeutet in der heutigen Zeit so viel, wie das Geld das WC runterzuspülen. Wir müssen jetzt in die Zukunft investieren und nicht erst, wenn das Desaster voll da ist.» Die Strategie, das Geld in Fonds mit dem Label «Nachhaltigkeit» zu investieren, interessiert sie nicht, auch wenn Nachhaltigkeitsfonds grundsätzlich nichts Schlechtes seien: «Solche Fonds mögen gut sein fürs Gewissen. Aber dort spielt der normale Kapitalmarkt, meist börsenkotiert, etwas sauberer, etwas fairer. Das ist für die nächsten zwanzig Jahre, in denen wirklich sehr viel und auch Neues passieren muss, zu wenig.»

Einer der Grosserben, mit denen sie bereits in Kontakt sind, ist Tobias Rihs. Der 50-jährige Architekt ist einer der beiden Söhne des 2018 verstorbenen Unternehmers Andy Rihs und selber Unternehmer: In Zürich betrieb er den temporären Klub «Dachkantine», er war auch Mitbegründer des Seebades Enge und realisierte den Hamam «Stadtbad». Seit mehreren Jahren lebt Tobi Rihs mit Frau und Kind auf einem alten Hof in Portugal, den sie selbst renoviert und umgebaut haben. Für Rihs eine von mehreren Beschäftigungen – eine andere ist das Investieren. Er redet ziemlich offen über das Erbe, «da bin ich wohl mehr der Ami als der Schweizer. Ausserdem will ich andere in­spirieren.»

Verantwortung übernehmen ist eine Pflicht

Rihs teilt die Werte und Vorstellungen der Meili-Brüder: Er wünscht sich eine starke Zivilgesellschaft, sein Geld will er sinnvoll investieren – und auch für ihn ist das Klima die grösste Sorge. Der Urenkel von Hermann Hesse («er hat das Familien-Gen stark beeinflusst») erinnert sich an eine «normale» Kindheit mit einer sozialen, politisch links stehenden Mutter. Als junger Erwachsener verkehrte er in der Zürcher Subkultur, ein gutes Jahrzehnt später wurde er Vater. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem sein eigener millionenschwerer Vater starb, 2018, war der Sommer dermassen heiss und trocken, dass er schlagartig begriffen habe: «Wir befinden uns ja bereits mitten im Klimawandel!» Er beschloss, mit dem Fliegen aufzuhören – und davon zu erzählen, auch in den sozialen Medien: «In jenem Sommer wurde ich zum Aktivisten.» Tobi Rihs überlegte sich auch, kaum Erbe von zig Millionen geworden: «Was nützt mir dieses ganze Vermögen, wenn die Welt in 10, 20 Jahren vor die Hunde geht?» Tobi Rihs will mitgestalten, auch das verbindet ihn ideell mit Meilis: «Ich hätte ­Mühe, das Geld einfach an der Börse zu haben, es in Finanzprodukte zu stecken, die mit mir und meinen Interessen nichts zu tun haben. Ich will mich einbringen, mitdenken, Verantwortung übernehmen.» Letzteres sei ja eigentlich eine Pflicht, wenn man schon ohne eigene Leistung zu viel Geld gekommen sei: «Als jemand mit so viel Geld kann ich mehr bewirken als andere – dieser Verantwortung bin ich mir bewusst.» 

Wenn Tobi Rihs davon spricht, wie er andere inspirieren will, zeichnet er dieses Bild: «Stell dir vor, du hast einen vielfältigen Garten angelegt, in dem es bald einmal wunderschön blüht und wo viele Schmetterlinge fliegen. Deine Nachbarn werden bald auch so einen Garten haben wollen.» Kürzlich hat er in Portugal ein unwirtliches Stück Land gekauft, 1500 Hektaren. Darauf legt er jetzt mit einem, der weiss, wie das geht, einen Wald an. Und zusammen mit den Meili-Erben sowie vielen weiteren Reichen wird er, wenn der Plan aufgeht, in Projekte investieren, die im Kampf gegen den Klimawandel ­einen Unterschied machen.
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