Während Metron jahrzehntelange Erfahrung mit Mitspracherechten hat und über bewährte Strukturen verfügt, ist das junge IT-Unternehmen Advertima noch in der Selbstfindungsphase. «Holocracy» sei an sehr strikte Regeln gebunden, sagt Nadja Kaderli. Man sei dauernd daran, die Spielregeln zu optimieren. Dies mit dem Ziel, «eine selbst organisierende Organisation zu werden».
Zur speziellen Kultur gehört, dass klassische Chefs genauso fehlen wie Zeitkontrolle oder Jahresmitarbeitergespräche. Stattdessen holt man sich Feedback von selbst ausgesuchten Kollegen. «Eine Fehlerkultur und psychologische Sicherheit sind zentral, sonst können Unsicherheiten entstehen, die das System gefährden», sagt Kaderli. «Holocracy» verlange sehr viel Engagement von den Mitarbeitenden, doch für sie ist klar: «Es gibt einen Point of no Return. Wer einmal so gearbeitet hat, kann nicht mehr zurück.»
Organisationsexperte Felix Frei betont, ein neues Führungsmodell sei kein Selbstzweck, sondern müsse immer unternehmerisch Sinn ergeben – etwa zu beschleunigten Entscheidungen beitragen. Ob die Mitarbeitenden damit letztlich zufriedener würden, sei nicht eindeutig. Zu Beginn überwiege das Anstrengende: «Es braucht viel mehr Disziplin als zuvor, und man muss viel mehr selber entscheiden. Alle nicht klassisch hierarchischen Organisationen mussten auf die harte Tour lernen, Konflikte auszutragen.» Wer lieber Dienst nach Vorschrift tue, komme damit nicht klar. «Bis zu 30 Prozent der Mitarbeitenden verlassen das Unternehmen in der Umstellungsphase. Daran scheitern manche. Wer aber die ersten zwölf Monate übersteht, will nicht mehr zurück.» Frei ist überzeugt, dass neue Führungsmodelle Zukunft haben: «Die Agilität, die die Digitalisierung mit sich bringt, verlangt neue Organisationsformen.»