Kohli sieht sich selber nach wie vor als Journalistin, auch wenn ihr Arbeitgeber jetzt eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation ist. Die Arbeit und das Ziel würden ja gleich bleiben, sagt sie: «Recherchieren, aufdecken, Transparenz schaffen. Als Journalistin ist es meine Motivation, etwas zu bewirken.»
Im Journalismus gibt es vermehrt Auseinandersetzungen zur Frage, was und wer noch unabhängig sei, also glaubwürdig – und es geht dabei immer auch um Transparenz. Ist eine Zeitung unabhängig, die einem Politiker gehört? Oder eine, die von einem einzelnen Unternehmen finanziert wird (wie beispielsweise moneta)? Waren es die Zeitungen, die sich über Werbung finanzieren, überhaupt je? Ferner eben: Darf sich eine Journalistin, die im Auftrag einer NGO arbeitet, noch Journalistin nennen? Und eine Freischaffende, die von einer NGO bezahlt recherchiert, soll sie ihre Ergebnisse zusätzlich in Zeitungen verwerten können, als Journalismus deklariert?
Letzteres war bei der Pharma-Geschichte der Fall. Die ägyptische Journalistin, die im Auftrag von Public Eye Teilnehmerinnen des klinischen Tests suchte und interviewte, publizierte ihre Rechercheergebnisse auch in lokalen Zeitungen. Public Eye sieht darin kein Problem, auch Alice Kohli nicht. Sie argumentiert: «Wir gehen ja allem sehr genau nach und eben mit viel mehr Zeit und Aufwand, als dies bei einer Zeitung möglich wäre. Die Ergebnisse werden intern mehrfach überprüft. So müssen wir arbeiten, denn am Schluss treibst du mit der Kampagne eine Sau durch die Gasse. Wenn da die Fakten nicht zu hundert Prozent stimmen, kannst du zusammenpacken.»
Genauigkeit ist auch im Journalismus zentral. Dasselbe gilt für die Verantwortung, die man den Informantinnen und Protagonisten gegenüber hat. Manchmal muss man sie vor ihrem eigenen Mut, öffentlich auszupacken, warnen und sie angemessen schützen. In heiklen Fällen anonymisiert man diese Personen. «Das haben wir schon immer so gehandhabt», sagt Alice Kohli, «es gilt, die Konsequenzen abzuwägen. Im Zweifel geht der Schutz der Protagonistin oder des Protagonisten stets vor.»