Irgendwann in Mesopotamien, vor gut 6000 Jahren, entdeckten Menschen, wie sie Kleinstlebewesen für ihre Zwecke nutzen konnten. Tiere hatten die Sumerer bereits seit einiger Zeit in Gefangenschaft gehalten. Die Domestizierung von Schafen, Ziegen und Rindern erfolgte neuesten archäologischen Funden zufolge wohl erstmals vor etwa 10’000 Jahren im Fruchtbaren Halbmond und den nahe gelegenen Bergregionen Westasiens, etwa zeitgleich mit dem ersten Anbau von Weizen und Gerste. Ein paar tausend Jahre später kamen kleinste Tierchen dazu: Hefen halfen bei der Herstellung von Brot und Wein. Manche nennen es den Anfang der Biotechnologie – umgekehrt könnte man sagen, wir entdecken gerade die uralte Kulturtechnik der Fermentation neu.
Mikroorganismen für uns schuften zu lassen, war lange eine mutualistische Angelegenheit, wie es im biologischen Jargon heisst: eine zu beiderseitigem Nutzen. Wenn Lebensmittel vergären, haben – so darf man annehmen – alle Beteiligten etwas davon: vor allem die in und von den Lebensmitteln lebenden Mikroben, aber auch wir Menschen – jedenfalls seit wir realisiert haben, dass fermentiert nicht dasselbe bedeutet wie verdorben. Es kümmert uns natürlich kaum, ob die Hefen im Sauerteig beim Brotbacken überleben oder ob die Joghurtkulturen in unserer Magensäure zugrunde gehen oder es sich in unserem Darm gemütlich machen. Es spielt aus menschzentrierter Sicht auch keine grosse Rolle. Weder die Sumerer noch alle Folgekulturen hatten eine Ahnung von den Kleinstlebewesen, die sie zu «domestizieren» begannen. Das änderte sich erst im 19. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der Mikrobiologie. Inzwischen ist fast schon ein Kult um die Fermentation entstanden, manche nennen ihre Sauerteigkultur oder ihren Kombucha auch ihr «Haustier». Und das Verhältnis zwischen Menschen und Mikroorganismen ändert sich gerade noch einmal gewaltig: Denn was wir bis anhin gewissermassen anekdotisch genutzt haben – so gut wie alle Fermentationsprozesse dürften ihre Entdeckung dem Zufall verdanken –, das beginnen wir nun sehr bewusst zu gestalten, mit den Mitteln der Gentechnik. Und im grossindustriellen Massstab zu nutzen.