Auch bei uns haben Ideen aus dem Dark-Green-Spektrum Auftrieb. Die Extinction Rebellion (XR) ist in England entstanden, hat aber auch in der Schweiz schon mit spektakulären Aktionen wie der Grünfärbung der Limmat für Aufsehen gesorgt. Frage an den Sprecher von XR Zürich, Reto Wigger: Wie wörtlich ist das gemeint mit der Rebellion, was braucht es, um uns vor dem Aussterben beziehungsweise um die Umwelt vor uns zu retten? «Wir verstehen Rebellion nicht so, dass ein politischer Umsturz vonnöten ist.» Weil die Zeit aber ein dermassen wichtiger Faktor sei, setze XR auf zivilen Ungehorsam, um mehr Druck aufzubauen als Demonstrationen, Petitionen, Initiativen es könnten.
In der Frage, wie viel Gewalt dabei legitim ist, hat Roger Hallam, einer der Gründer von XR, eine dezidierte Meinung: «Alle erfolgreichen gewaltfreien Bewegungen brauchen eine Null-Toleranz-Politik in Sachen Gewalt. Denn fängt man einmal an, Gewalt zu befürworten, rutscht eine Gesellschaft Richtung Bürgerkrieg», meinte er in einem grossen Interview mit dem «Spiegel». Hört man beim Zürcher Ableger auch «dunklere» Anteile heraus? «Ziviler Ungehorsam muss nicht notwendigerweise gewaltfrei sein. Wir verstehen ihn jedoch so. Wir benötigen noch immer den Rückhalt eines Grossteils der Bevölkerung, damit die notwendigen Massnahmen auch getragen werden und Bürgerversammlungen möglich werden.» Diese Versammlungen sind zentraler Teil der XR-Philosophie und laufen unter dem schönen Schlagwort «beyond politics». Sie sollen dereinst viel Entscheidungsgewalt in umweltpolitischen Fragen erhalten – so könnten Eigeninteressen der Politiker (Wiederwahl) und externe Interessen (Parteien, Lobbying) überwunden werden, hoffen die Aktivistinnen und Aktivisten. Wigger verweist auf eine Umfrage der Uni Lausanne, derzufolge «die Mehrheit der Bürger und sogar Parlamentarier der Regierung nicht zutraut, dass die notwendigen Massnahmen getroffen werden.» Deshalb folgt auch XR auch in der Schweiz der Maxime der Gewaltfreiheit. Wigger: «Körperliche wie auch sprachliche Gewalt schliessen wir kategorisch aus. Und das nicht nur aus Gründen der politischen Vernunft, sondern auch aus psychologischen Gründen und basierend auf Erkenntnissen aus der historischen Forschung.» Ziviler Ungehorsam dürfe aber durchaus auch mal ein wenig heftiger werden, «aber nur im Sinne der Masse»: das Programm von XR sei eigentlich «mass civil disobedience». Gewaltfrei heisst aber nicht zwingend ohne rechtliche Übertritte – Aktionen von XR sind berüchtigt dafür, den Rahmen der Legalität zu ritzen. Richtschnur sei für sie «eher Legitimität statt Legalität», sagt Wigger. «Im Brandfall ist es rechtlich gesehen unbedenklich eine Türe einzutreten.»