«Es ist eine interessante Frage, ob und wie mich mein Aktivismus glücklich macht. Ich denke, ich habe bis jetzt nicht viel darüber nachgedacht, es ist einfach etwas, das ich tue. Es gibt sicherlich viele glückliche Momente, etwa wenn ich Menschen mit tollen, inspirierenden Projekten treffe oder wenn ich Workshops organisiere und das Gefühl habe, dass mein Beitrag bei den Teilnehmenden wirklich ankommt und meine Ideen mit Begeisterung aufgenommen werden. Manchmal halte ich Vorträge in grossen Sälen vor viel Publikum, und danach stehen alle noch stundenlang draussen herum und diskutieren über die präsentierten Ideen, zu aufgeregt, um nach Hause zu gehen. Einmal kam ich mit dem Boot in einer italienischen Stadt an und wurde von der Stadtkapelle empfangen, die mich dann ins Stadtzentrum führte. Manchmal treffe ich Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister, die sagen, sie hätten eins meiner Bücher gelesen und es habe ihre Herangehensweise an ihre Aufgabe verändert. Manchmal treffe ich «Transition»-Gruppen, die begeistert sind, dass ich sie besuche, und wir feiern eine tolle Party, trinken lokales Bier und machen gemeinsam Musik. Es gibt Momente, in denen ein Projekt, an dem ich beteiligt bin, einen grossen Schritt vorwärts macht, und alle spüren ein gemeinsames Gefühl der Freude und des Erfolgs. Es gibt viele solcher Momente, und sie machen mich sehr glücklich.
Mein Aktivismus hat natürlich auch andere Seiten, die viel schwieriger sind und nicht von grossen Glücksgefühlen begleitet werden. Wenn Züge Verspätung haben, wenn ich erschöpft bin, wenn mir alles zu viel wird. Oder wenn ich an Projekten in meiner Stadt beteiligt bin, die ich liebe, die aber viele Sitzungen, viel Entschlossenheit und viele nicht so aufregende E-Mails erfordern, auch viel Geduld, Ausdauer und Hartnäckigkeit. Manchmal muss man für ein Projekt auch viel Kritik einstecken, Angriffe von Leuten, die nicht verstehen, was es bezweckt, oder die ein persönliches Interesse an seinem Scheitern haben. Und natürlich haben die sozialen Medien dies viel einfacher und giftiger gemacht. Was mir in solchen Zeiten hilft, ist die Unterstützung der Menschen um mich herum, die Solidarität und die gute Arbeitskultur, die wir gemeinsam geschaffen haben, unsere Bereitschaft, zu fragen: «Geht es dir gut?», und jene Unterstützung zu suchen, die wir brauchen. Und ein fester Glaube an die Richtigkeit dessen, was wir tun.
Aber wäre ich glücklicher, wenn ich mich nicht so engagieren würde, wie ich es tue? Wenn ich in einer Welt leben würde, in der ich nicht wüsste, was vor sich geht, quasi in glückseliger Ignoranz? Das glaube ich nicht. Aldo Leopold, einer der ersten Menschen, die wir als Ökologen bezeichnen können, schrieb 1949, dass «eine der Strafen für eine ökologische Ausbildung darin besteht, dass man in einer Welt voller Wunden lebt ... Ein Ökologe muss entweder seine Schale abhärten und glauben, dass die Folgen der Wissenschaft ihn nichts angehen, oder er muss der Arzt sein, der die Spuren des Todes in einer Gemeinschaft sieht, die sich selbst für gesund hält und das Gegenteil nicht hören will». Ich habe nicht die Absicht, meine Schale auf diese Weise zu «härten». Wenn man einmal wirklich gesehen und verinnerlicht hat, was Martin Luther King «die unerbittliche Dringlichkeit des Jetzt» nannte, den Klima- und Umweltnotstand, die wachsende Kluft der sozialen Ungleichheit, den Rückschlag des Patriarchats, der weissen Vorherrschaft und des Kolonialismus, dann glaube ich nicht, dass man das einfach abschalten kann. Einmal gesehen, kann man es nicht mehr vergessen. Es ist so, als ob Sie, während Sie in Ihrem Haus schlafen und Ihre Kinder im Nebenzimmer sind, aufwachen und Rauch riechen. Sie könnten sich nicht einfach umdrehen und wieder einschlafen. Es würde mich mehr Energie kosten, mich abzulenken und meine Stunden mit sinnlosen Aufgaben und Aktivitäten zu füllen, als das zu tun, was ich tun kann, um zu hel-fen. Das wäre irgendwie psychologisch anstrengender. Natürlich handeln alle auf ihre Weise. Ich mache «Transition», meine Frau wird mit Extinction Rebellion verhaftet, manche Leute gehen für Just Stop Oil ins Gefängnis, manche pflanzen Bäume. Alle finden ihren eigenen Weg.