moneta: Zwei Frauen teilen sich eine Geschäftsleitungsposition. Das klingt progressiv. Ist es das wirklich?
Melanie Gajowski: Dass wir jetzt als zwei Frauen zusammenkommen, ist genial, weil wir uns sehr gut verstehen. Für mich ist der Aspekt des Jobsharing allerdings der relevante, nicht der des Geschlechts. Wir sind in einer Phase, in der die Wirtschaft neue Denkformen und Führungsmodelle braucht – und dazu gehört Teilzeit. Ob das nun Frau mit Frau, Mann mit Frau, Alt mit Jung erfolgt, ist weniger bedeutsam.
Tanja Reuter: Das sehe ich auch so. Wichtig ist, dass es in einer Geschäftsleitung eine gesunde Durchmischung gibt. Mit drei männlichen und zwei weiblichen Mitgliedern ist die ABS-Geschäftsleitung nun wieder komplett. Dass das Jobsharing erstmals auf Ebene der Geschäftsleitung gemacht wird, ist wirklich progressiv.
Welche Führungserfahrung bringt ihr mit für diese neue Funktion?
Tanja: Meine Kinder … (lacht). In den letzten 15 Jahren habe ich immer wieder Möglichkeiten erhalten, Teams aufzubauen und zu entwickeln. Für mich heisst Führung, etwas gemeinsam zu gestalten. Was sich mir besonders eingeprägt hat, ist ein kurzer Einsatz für ein Hilfswerk im Senegal. Dort habe ich ein Führungsseminar gehalten, das ich selbstständig entwickelt hatte. Ich wusste zunächst nicht, wie anders Führung im Senegal ist. Und ich muss nun sagen: Es ist nicht so viel anders. Es geht um Menschen. Menschen zu befähigen, zu führen – das ist für mich eine der schönsten Erfahrungen. Es ist schön, zu spüren, wie viel Energie entsteht, wenn Menschen in die gleiche Richtung gehen wollen.
Melanie: Wenn ich über meine Führungserfahrung nachdenke, dann kommt mir als Erstes in den Sinn, dass ich schon in der sechsten Klasse Klassensprecherin war. Meine erste formale Führungserfahrung habe ich dann mit 23 Jahren gemacht: Nach der Wende war ich in den neuen Bundesländern für eine Bankfiliale mit acht Mitarbeitenden verantwortlich. Später, als ich in die Schweiz kam, habe ich in Grossprojekten viele Erfahrungen mit indirekter Führung gemacht. Das ist für mich überhaupt die Management-Kür: führen, ohne disziplinarisch Durchgriff zu haben.
Wie hat euer Team auf die Nachricht mit dem Jobsharing reagiert?
Tanja: Die Leute sind neugierig, wie wir die Sache anpacken wollen, und freuen sich, dass die ABS ein Jobsharing auf dieser Stufe ermöglicht. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die sich fragen, ob es überhaupt möglich ist, diese Funktion im Job sharing auszuüben.
Melanie: Die Reaktionen waren sehr positiv: Da wird etwas Neues ausprobiert. Viele reden über Jobsharing in einer solchen Funktion. Die ABS macht es und setzt damit ein klares Zeichen für Teilzeit.