Das Designbüro Mifactori aus Berlin entwickelt Produkte, Methoden, Kampagnen und Bildung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Warum wir einen ganz neuen Designansatz brauchen und was das alles mit Spielzeug zu tun hat, erläutert der Initiator Lars Zimmermann.
Von Genf bis Delémont haben sich in den letzten zehn Jahren die Repair-Cafés vermehrt wie Topinambur in einem Biogarten. Während einige nur ein paarmal im Jahr stattfinden, sind andere zu einem monatlichen Rhythmus übergegangen. Ihr gemeinsamer Nenner: Sie bringen eine Handvoll Heimwerkerfans mit Menschen zusammen, die Gegenstände aller Art reparieren lassen wollen. Nähmaschinen, Staubsauger, Bügeleisen, Mobiltelefone, Haartrockner, Plattenspieler, Rasenmäher, Hosen, Vintage-Hammondorgeln – all diese Gegenstände, ob kaputt oder einfach nur ein wenig mürbe, warten darauf, dass sich eine kundige Hand ihrer annimmt, während ihre Besitzerinnen und Besitzer eine Tasse Arabica-Kaffee geniessen. Dieser Service ist fast kostenlos, die Kundinnen und Kunden bezahlen nur für die Ersatzteile. Organisation und Reparatur basieren auf Freiwilligenarbeit.
Explosionsartiger Anstieg nach der Pandemie
«In der Schweiz wurden die ersten Repair-Cafés vor etwa zehn Jahren gegründet», erklärt Sylvie André, Marketing- und Kommunikationsverantwortliche bei der Fédération romande des consommateurs (FRC). Der Verein, der sich gegen die Verschwendung von Ressourcen und die vorzeitige Alterung von Gegenständen (sog. geplante Obsoleszenz) einsetzt, ist der Dachverband des Netzwerks der Repair-Cafés auf der französischsprachigen Seite der Saane. Der Verband ermöglicht den Organisatorinnen und Organisatoren der Repair-Cafés, Erfahrungen auszutauschen, und erhöht deren Sichtbarkeit. «Wir kündigen die Repair-Cafés auf einer speziellen Seite unserer Website an. Und wir bieten ein Starterpaket für die Organisation sowie eine Haftpflichtversicherung an», sagt Sylvie André. Nach der Pandemie sei die Zahl der Repair-Cafés explosionsartig angestiegen. «Inzwischen gibt es in der gesamten Westschweiz rund hundert solcher Reparatur-Workshops.» Diese Entwicklung sei kein Zufall, ist Sylvie André überzeugt: «Der soziale Aspekt hat bestimmt eine Rolle gespielt, die Menschen suchen nach den Covid-Einschränkungen wieder den persönlichen Kontakt.»
Ohne Geduld und Mithilfe geht es nicht
Um einen unfairen Wettbewerb mit etablierten Handwerkerinnen und Handwerkern zu vermeiden, sortieren die Freiwilligen die Waren zunächst. «Personen, die kommen, um den Bildschirm ihres Smartphones auszutauschen oder ihre Hose zu säumen, verweisen wir direkt an entsprechende Profis», sagt August Hangartner, Präsident der lokalen Nachhaltigkeits-Initiative Echallens 21 und Gründungsmitglied des dort beheimateten Repair-Cafés. Wer etwas «Reparierwürdiges» dabeihat, wartet dann bei einem Kaffee, dass eine Reparateurin oder ein Reparateur verfügbar ist. Einige Cafés haben Massnahmen ergriffen, um die Wartezeit zu verkürzen: «Wir bemühen uns, dass bis zur Demontage und Fehlerdiagnose nicht mehr als eine halbe Stunde vergeht, mitunter sind unsere Freiwilligen da auch etwas übermotiviert», schmunzelt Sylvie Cortat Frey vom jurassischen Repair-Café. Als dieses vor zehn Jahren zum ersten Mal stattfand, wurde es sogleich Opfer seines Erfolgs: Auf fünf Reparateure kamen rund dreissig Besucherinnen und Besucher!
Geduld und persönliches Engagement gehören beim Repair-Café dazu, denn egal, wie lang die Schlange ist, man kann den Gegenstand nicht einfach abgeben und wieder abholen, wenn er geflickt ist. «Wir weigern uns, in Abwesenheit der Kundinnen und Kunden zu arbeiten. Sie müssen da sein, um zu helfen», erklärt Olivier Bernhard, der das Repair-Café in Genf betreut. Dabei braucht man nicht unbedingt die Königin oder der König der Heimwerker zu sein: Es reicht oft, dem Reparateur zur Hand zu gehen, indem man eine Schraube anzieht oder die Haube der Orangenpresse festhält. Manchmal geht es auch um die Entscheidung, ob es sich lohnt, etwas zu reparieren – oder ob man sich auch mit einer halben Sache zufriedengeben kann. Beispielsweise, indem man einen Schalter nicht repariert, sondern ganz einfach entfernt. «Von den 328 Gegenständen, die von 280 Besucherinnen und Besuchern im Jahr 2022 an den 18 Tagen der Genfer Repair-Cafés mitgebracht wurden, wurden 49 Prozent vollständig und 4 Prozent teilweise repariert. Bei 16 Prozent wurde der Fehler identifiziert», erläutert Bernhard weiter. Haushaltsgeräte stehen in der Statistik mit 55 Prozent an erster Stelle. Sorgenkind Nummer eins: die Kaffeemaschine, die so oft vergessen wird zu entkalken. Auf den nächsten Plätzen folgen Haushaltselektronik, Spielzeug, Fahrräder und Textilien.