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15.03.2018 von Sanika Nele Hufeland

Mutig den Wandel finanzieren

«Change finance to finance change» ist das Motto von Sanika Nele Hufeland, Managing Director des Institute for Social Banking (ISB) in Berlin. Sie ist überzeugt, dass es mehrere massgebliche Veränderungen im Finanzsystem braucht, um einen nachhaltigen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft finanzieren zu können.

Artikel in Thema Mut
Die Finanzwelt suggeriert eine geordnete und strukturierte Entwicklung: Sparzinsen, Rückzahlungsraten usw. nähren die Vorstellung, dass Finanzströme vorhersehbar seien und Entwicklungen berechenbar verlaufen. Aber ist dies in einer globalisierten und unvorhersehbaren Welt überhaupt möglich? Könnten wir nicht viel mehr lernen, wenn wir uns in der Finanzwelt mit dem Prinzip Chaos vertraut machten? Chaos nicht verstanden als Totalkollaps, sondern abgeleitet vom griechischen Wort «khaos», das so viel wie kontinuierliche Bewegung bedeutet. Das kapitalistische Wachstumsszenario bringt Grenzen mit sich, das führt uns beispielsweise die Griechenland-Krise vor Augen. Nach Steven James Venette kann «Krise als Transformationsprozess verstanden werden, in dem das alte System nicht länger aufrechterhalten bleiben kann». Heute können wir beobachten, dass Teile der griechischen Bevölkerung nach neuen ökonomischen Modellen für Leben, Arbeit, Produktion und Konsum suchen und sich an alternativen Wirtschaftsformen orientieren: Lokalität, Post-Wachstum, Solidarität und Kooperationen. Es bedarf einer Portion Mut, sich auf die Suche nach einem eigenen Weg aus der Krise in einen derartigen Transformationsprozess zu begeben. Diese Agilität – die Balance zwischen Stabilität und Innovation oder sogar Disruption – wünsche ich mir von Finanzinstitutionen mehr. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass Banken flachere Hierarchien einführen, die Partizipationsmöglichkeiten der Mitarbeitenden stärken und die internationale Zusammenarbeit intensivieren. Denn so könnten sie Selbstverantwortung und autonome Entscheidungen fördern, genauso wie Kooperationswillen und den Blick fürs Ganze. Etwas Neues zu denken, bedeutet auch immer, Freiraum zu geben.

Finanzierungslücke bei den Social Start-ups

Wir brauchen viel mehr Unternehmerinnen und Unternehmer, die soziale und nachhaltige Firmen gründen. An Ideen hapert es ja nicht, sondern an der Umsetzung und der Finanzierung: Laut der Europäischen Kommission klafft bei einem Sozialunternehmen in der Frühphase noch immer eine durchschnittliche Finanzierungslücke von 100 000 bis 500 000 Euro. Da sozial ausgerichtete Start-ups in der Regel weniger Rendite erzielen als konventionelle Start-ups, ist es für sie schwieriger, Risikokapital zu finden. Investoren brauchen meines Erachtens mehr Mut, Risiken für gesellschaftliche Innovationen einzugehen. Allerdings muss auch auf der Seite des Gesetzgebers der Weg hierfür geebnet werden. Wer nichts riskiert, gewinnt nichts – oder wie war das noch?
Aktuellen Studien zufolge verändert sich die Beziehung von Kundinnen und Kunden zu ihrer Bank: Viele Jahrzehnte hielt die Beziehung zur Hausbank länger als eine durchschnittliche Ehe. Heute ist das in Deutschland nicht mehr so – und in der Schweiz zeichnet sich derselbe Trend ab: Etablierte Banken sehen sich neuen digitalen Anbietern gegenüber, die mitunter die Kundenbedürfnisse besser verstehen und bedienen als sie. Die Rede ist hier von den sogenannten Fintechs – Kurzform für Financial Technologies. Unbedingt relevant ist in meinen Augen die Wertediskussion innerhalb dieser Start-ups. Fintechs bringen einerseits Dynamik, Mut und neue Impulse in die Finanzbranche, andererseits können sie, was Ethik, Verantwortung und Nachhaltigkeit betrifft, von den Pionieren der Branche – den Social Banks – einiges lernen. Um einen Raum für diese Wertediskussion zu schaffen, habe ich gemeinsam mit anderen die Meetups Conscious FinTech Berlin initiiert. Diese Meetups zielen darauf, die Debatte über nachhaltige, sozial-verantwortliche und Impact-getriebene Innovationen und Technologien im Banken- und Finanzsektor voranzubringen. Zusammen mit der Community, die schnell auf mehr als 450 Menschen gewachsen ist, haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meetups die Möglichkeiten der Blockchain-Technologie diskutiert und gemeinsam Grundprinzipien für Conscious Fintech erarbeitet (siehe: www.social-banking.org/6-principles-of-conscious-fintech).

Mehr Frauen in Führungspositionen

Daran anschliessend möchte ich ein weiteres Feld für Transformation nennen: die Vertretung von Frauen in den Vorstandsetagen der Banken. Schreibt man die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre linear fort, würde es in Deutschland noch 80 Jahre dauern, bis Frauen und Männer in den Führungsgremien von Finanzinstituten gleichermassen vertreten wären – und das, obwohl der Frauenanteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit über 15 Jahren relativ konstant bei rund 57 Prozent liegt. Im Interesse von Fairness und Gleichberechtigung, aber auch von Innovationsfähigkeit und nachhaltigem Profit müssen sich Finanzinstitutionen aktiv mit ihrer Unternehmenskultur befassen und Frauen noch gezielter fördern. Andernfalls werden weiterhin die Talente vieler Frauen in der Finanzindustrie verloren gehen, genauso wie das Vertrauen der Kundinnen. Frauen brauchen eine Menge Mut, um sich in einer männerdominierten Welt zu bewegen und zu behaupten. Frauennetzwerke können hier eine wichtige Rolle spielen, indem sie Unterstützung und Rat bieten und den Austausch unter Frauen innerhalb der Finanzbranche fördern.

Mutig sein!

Abschliessend möchte ich zum Mutigsein aufrufen und die Anthropologin Margaret Mead zitieren: «Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe umsichtiger und engagierter Menschen die Welt verändern kann; tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, wie die Welt je verändert wurde.» Dieses Zitat spricht für die Mobilisierungskraft von Menschen und sozialen Bewegungen, auch für die Kraft einer Veränderung, die von vielen Orten gleichzeitig ausgeht, aber nicht notwendigerweise von oben verordnet sein muss. Ich bin überzeugt, dass wir sehr vieles schaffen können. Die sozial und ökologisch orientierten Banken werden weiterhin an Relevanz gewinnen, wenn sie ihren Werten treu bleiben und sich gleichzeitig neuen Transformationsfeldern öffnen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die ABS: Sie nimmt das Thema Digitalisierung ernst und implementiert neue Technologien wie das Digital Onboarding; zugleich fördert sie den Austausch zum Thema Digitalisierung und Fintech zwischen den Mitgliedern des Institute for Social Banking. Andere ISB-Mitglieder – wie beispielsweise die Freie Gemeinschaftsbank Schweiz und die GLS Bank Deutschland – wirken als Pilotpartner bei einer internationalen Plattform- und Infrastrukturlösung mit, um Kundinnen und Kunden, sozial und ökologisch orientierte Unternehmen und Banken miteinander zu verbinden.
Ein bestehendes System zu verändern – sowohl von aussen als auch von innen heraus –, bedeutet für mich ganz klar, Mut zu haben. Und Mut heisst, etwas zu wagen und sich aus der Komfortzone hinauszubewegen, was mit Unsicherheit und Unbehagen verbunden sein kann. Mutig sind in meinen Augen Menschen, die gegen Widerstände etwas Neues in die Welt bringen, das die Lage von Mensch und Umwelt auf dem Planeten verbessert.

Institute for Social Banking (ISB)

Das ISB ist eine Mitgliedorganisation für Bildung, Netzwerk und Forschung für nachhaltiges Bankwesen und die einzige Institution im europäischen Raum, die auf Aus- und Weiterbildungen im Bereich Social Banking und Social Finance spezialisiert ist. Unter anderem führt das ISB jährlich eine «Summer School» zu Social Banking durch. Die Alternative Bank Schweiz ist Gründungsmitglied des Institutes.

www.social-banking.org
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