Wenn global verantwortungsvolles Denken lokal unbeabsichtigte Folgen hat: Solino-Gründer Felix Ahlers erklärt im Interview, warum kleine Kaffeebauern in Äthiopien über die neue EU-Entwaldungsverordnung zu stolpern drohen.
moneta: Felix Ahlers, Sie haben vor gut 15 Jahren Solino gegründet, um Kaffee so zu importieren, dass die Wertschöpfung im Herkunftsland bleibt. Wie kam es dazu?
Felix Ahlers Das ist eher zufällig entstanden. Bei einem Besuch in Äthiopien lernte ich Leute aus dem Kaffeesektor kennen. Sie erklärten mir, dass ich ihnen nicht helfen könne, indem ich einfach ihren Kaffee kaufe. Die Dominanz des Weltmarktpreises sei zu gross, auch Fair-Trade-Preise machten da nur einen kleinen Unterschied. Wirklich etwas verändern würde sich aber, wenn sie von der Wertschöpfung der verschiedenen Verarbeitungsschritte wie Rösten und Verpacken selbst profitieren könnten.
Warum gerade Äthiopien?
Die Voraussetzungen waren gut: Es gab bereits einen grossen lokalen Kaffeemarkt, weil in Äthiopien viel Kaffee getrunken wird. Deshalb gab es auch lokale Produzenten und Röstereien.
Gab es damit beim Aufbau von Solino keine grösseren Hindernisse?
Doch! In Deutschland galt damals auf verarbeiteten Produkten ein Schutzzoll von 30 Prozent. Dieser bezweckte, dass wir Rohstoffe günstig einführen, die Verarbeitung aber bei uns machen können. Es brauchte intensive Gespräche, unter anderem mit dem Entwicklungshilfeministerium. Wir erklärten, wie verrückt es eigentlich sei, massenhaft Entwicklungsgelder in ärmere Länder zu schicken und gleichzeitig deren Exporte zu behindern. Ich weiss nicht, ob das ausschlaggebend war, jedenfalls wurden diese Einfuhrzölle für die ärmsten Länder schliesslich abgeschafft.
So entwickelte sich Solino zu einer Erfolgsgeschichte, die nun ein plötzliches Ende finden könnte. Warum?
Wir importieren inzwischen jährlich rund 200 Tonnen verarbeiteten Kaffee aus Äthiopien – und möchten weiterwachsen. Aber nun steht uns die neue EU-Entwaldungsverordnung im Weg: Für alle in der EU verkauften Produkte muss garantiert werden, dass sie aus Gegenden stammen, die nicht nach 2020 entwaldet wurden. Grundsätzlich ist das schon richtig, aber die Umsetzung ist schlecht geplant. Die Beweislast liegt nämlich ganz bei den Produzenten – und wir arbeiten oft mit Kleinstbauern zusammen, für die der bürokratische Aufwand viel zu gross ist.
Und eigentlich vertrauen Sie Ihren Produzenten diesbezüglich?
Ja, das ist ja das Absurde: Die Kleinbauern, mit denen wir zusammenarbeiten, bauen Kaffee nicht in Kahlschlagplantagen an, sondern in traditioneller, waldschonender Weise. Es gibt auch ein paar Grossproduzenten in Äthiopien, aber die Mehrzahl der rund vier Millionen Kaffeebauern bewirtschaftet kleine Felder. Auch kaufen wir von Kooperativen; deshalb lässt sich nicht genau nachverfolgen, welcher Kaffee von welchem Bauern kommt.
Was passiert, wenn die Verordnung in der jetzigen Form in Kraft tritt?
Der Worst Case wäre, dass die kleinen Produzenten aus dem Markt gedrängt werden und die grossen Kaffeefarmen übernehmen, weil sie die verlangten Nachweise liefern können.
Was bedeutet das für Solino?
Wir haben noch acht Monate Zeit, und allenfalls wird die Umsetzung der Verordnung noch verschoben. Wir eruieren jetzt das beste Vorgehen mit unserem Röster in Äthiopien. Vielleicht müssen wir uns fürs Erste auf ein paar wenige Kooperativen konzentrieren. Wir werden aber auf jeden Fall in Äthiopien bleiben. Es wäre ja auch unsinnig, dem Land den Hauptdevisenspender wegzunehmen.
Erkennt man in den betreffenden EU-Ministerien den Ernst der Lage?
Ja, ich denke schon. Aber noch findet man keinen Weg aus dem Dilemma. Noch einmal: Auch ich finde es grundsätzlich richtig, dass wir Verantwortung übernehmen und Entwaldung möglichst verhindern. Aber man muss sich klarmachen, was eine solche Richtlinie für die Menschen am Anfang der Lieferkette bedeutet.
Was sagen die Betroffenen selbst dazu?
Viele haben Angst. Wir beschäftigen ja allein in den Zulieferbetrieben 150 Leute. Sie können sich vorstellen, dass es nicht ganz einfach ist, ihnen zu erklären, warum Europa seine Wälder schon vor langer Zeit abgeholzt hat und nun in Äthiopien kaum umzusetzende Vorgaben macht.
Roland Fischer ist freier Journalist und Wissenschaftsvermittler.
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