Sieht so etwa die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft aus? Das lässt sich so einfach und pauschal nicht sagen. Was man indes mit Sicherheit sagen kann: Die mittlere Temperatur wird ansteigen, bis 2060 insbesondere in den Sommermonaten um rund 2 Grad. Bei der Anzahl Hitzetage ist der Anstieg auch markant, von heute 11.3 auf 26.1 pro Jahr. So jedenfalls der klimatologische Grundrahmen, wie ihn ein vom Kanton Aargau im Hitzesommer 2018 lanciertes Projekt gesetzt hat. Das Ziel des Projekts «Anpassung als Chance für die Landwirtschaft»: Herausfinden, was eine solche Veränderung für die lokalen Bauern bedeutet, vor allem im Umgang mit zunehmender Trockenheit.
Privilegiert im Wasserschloss
Zunächst einmal lässt sich festhalten, dass das Wasserschloss Schweiz wieder mal eine privilegierte Position einnimmt in den sich abzeichnenden Umwälzungen: Trockenheit wird ein Thema sein, aber eher punktuell, sowohl im Jahresverlauf wie auf der Landkarte. Denn insgesamt gehen Hydrologen von einer mehr oder weniger gleichbleibenden Niederschlagsmenge aus, auch bei steigenden Temperaturen. Was sich hingegen verändert, ist die saisonale Verteilung. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt sich bereits eine Zunahme der Winterniederschläge um 20 bis 30 Prozent, ein Trend, der sich fortsetzen dürfte. In den Sommermonaten dagegen werden die mittleren Niederschlagsmengen um etwa 15 Millimeter pro Monat zurückgehen – eine vergleichsweise moderate Änderung gemessen an den rund 100 Millimetern, die es derzeit monatlich regnet. Diese Entwicklung muss übrigens nicht nur negative Folgen für die Landwirtschaft haben: Warme und eher trockene Sommer führen auch zu einem Rückgang von feuchteliebenden Pflanzenkrankheiten.
In der Landwirtschaft sind Veränderungen nötig
Aber auch wenn sich die Veränderungen bei den Niederschlägen auf dem Papier nicht ganz so dramatisch ausnehmen: Die Landwirtschaft wird sich verändern müssen, um mit den neuen klimatischen Bedingungen klarzukommen. Wie ist eine Produktion auch in Zukunft bei knapper werdenden Wasserressourcen möglich? Einfach entsprechend mehr bewässern? Das kann nicht die einzige Lösung sein, meint Samuel Zahner, Geograf vom Umweltbüro Ecoplan, der federführend an der Erstellung der Studie des Kantons Aargau beteiligt war. Auch andere Strategien müssten in den Fokus rücken: «Die Landwirte müssen sich auch anders anpassen – sie müssen andere Kulturen erproben, einen anderen Mix der Anbausysteme.»
Ist das also die Lösung: Die Umstellung auf andere Sorten, die mit weniger Wasser auskommen? Urs Bryner vom «Brynerhof» in Othmarsingen, ein traditioneller «Gmüeser», glaubt tatsächlich, dass sich da wohl «noch so einiges ändern wird». Grosse Sorgen macht er sich deswegen nicht: Es sei Teil des Landwirt-Berufs, dass man den Wandel immer mitgemacht habe. Dass der Klimawandel nicht eine ungefähre Zukunftsperspektive ist, sondern eine Realität, mit der man sich als Landwirt hier und heute auseinanderzusetzen hat, merkt man rasch, wenn man sich von Bryner über seinen Hof führen lässt. Zunächst einmal muss man da etwas zurechtrücken im persönlichen Landwirtschafts-Bild: Im grossen Massstab bewässerte Felder, das kennt man doch vor allem aus dem Ausland – letzten Sommer auf dem Weg durch Frankreich, entlang der Autobahn im Elsass zum Beispiel? Nein, Kartoffeln, Rüebli, Zwiebeln, das bewässert man auch in der Schweiz, schon lange. «Seit man Gemüse produziert, wässert man», sagt Bryner.
Auf der Suche nach dem idealen System
Er zeigt einem seine Bewässerungs-Anlage, eher unscheinbar reiht sie sich in den Maschinenpark, lange Schläuche auf fahrbaren Rollen, dazu die Pumpen, man hätte sie leicht übersehen. Welches Konfliktpotential da drin steckt, merkt man erst im Gespräch. Manch ein Landwirt in der Region sei schon verklagt worden wegen des Wässerns, von Anwohnern, die sich am Lärm störten. «Am liebsten würden wir in der Nacht wässern, wenn es nicht so heiss ist» – wegen der geringeren Verdunstung, das wäre also auch ökologisch sinnvoll. Aber das geht eben nur wenn die Pumpen weit genug weg vom Siedlungsraum sind. Auch deshalb bevorzugt Bryner Wasser ab dem Hydranten, dann braucht er keine Pumpen, um für genügend Druck zu sorgen. Das bedeutet, dass die regionalen Behörden sicherstellen müssen, dass das Trinkwasservolumen fürs Bewässern reichen wird, auch in Zukunft. Im Kanton Aargau sorgt das derzeit für ein politisches Hickhack: Unlängst wurde ein Vorstoss abgelehnt, das Trinkwassersystem auch für Bewässerungszwecke «fit» zu machen. Und gleichzeitig wird das Projekt «Wasser 2035» vorwärts getrieben, das vorsieht, die Wasserversorgungen im Bünz- und Reusstal zu verbinden und allen Beteiligten einen Anschluss an das ergiebige Grundwasservorkommen nördlich des Bünztals zu verschaffen. So sollte der Bedarf auch an Spitzentagen zu decken sein, zeigen Modellierungen.
Noch hat man im Bünztal kaum Erfahrungen gemacht mit auf Trockenheit ausgerichteten Produktionssystemen. Mit anderen Worten: man behilft sich mit Notmassnehmen, setzt auf vermehrte Bewässerung, auch wenn es den lokalen Landwirten dämmert, dass dieses Vorgehen keine längerfristige Lösung sein kann. Wie schätzt den Zahner von Ecoplan die Bereitschaft der Landwirte ein, nachhaltige Lösungen zu finden? «Die ist sehr unterschiedlich. Es gibt den Bauern und die Landwirtschaft nicht, wie damit umgegangen wird hängt auch von der betrieblichen Perspektive ab.» Für Bryner ändert sich, wenn die Sommer noch trockener werden, zunächst einmal nichts Grundsätzliches. «Was sich ändert ist das Volumen» an Wasser, das auf die Felder kommt. Und die Begehrlichkeiten rundherum: «Was die Gmüeser immer schon gemacht haben, wollen die Bauern nun auch.» Aber da werde sich rasch zeigen, wo sich das Wässern lohne und wo nicht – bei Getreide «rentiert das nie», bei einer Futterwiese womöglich schon, wenn es eng wird bei langen Trockenperioden.
Bewässerung ist vertraglich geregelt
Bryner baut vor allem Konservenerbsen sowie Buschbohnen für den Frischkonsum an, daneben auch Zuckermais und Spargeln. Bei den Erbsen, die er wie viele seiner Kollegen in der Region für Frigemo AG produziert, die zur Fenaco gehört, hat er gar keine grosse Wahl: Die Frigemo hat ziemlich klare Vorstellungen, wie die Landwirte für gleichbleibende Qualität zu sorgen haben, auch die Bewässerung ist da vertraglich geregelt. Oft ist es also gar nicht Bryners Entscheidung, ob er bewässert oder nicht, auch wenn er mit den zusätzlichen Kosten, die in diesem Fall entstehen, dann ein wenig alleingelassen wird. Diese können leicht einen Viertel bis einen Drittel des Ertrags auffressen, und das kann bedeuten, dass sich das Ganze rasch nicht mehr lohnt; aber produzieren muss er trotzdem. Bryner würde sich insofern wünschen, dass es zu einer Sensibilisierung auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten käme: heisse Sommer, das bedeutet aufwendigere Gemüseproduktion, und das «müsste der Preis eigentlich reflektieren».
Zahner sieht verschiedene Stossrichtungen, um die Landwirtschaft fit für kommende trockene Sommer zu machen: Zunächst einmal gilt es da den Wasserbedarf sicherzustellen, wo es viele bewässerungswürdige Kulturen gibt. Doch sei auch die Forschung gefordert. Der Leiter des Geschäftsfelds Umwelt bei Ecoplan sieht insbesondere in der Digitalisierung noch viel Potential – Bewässerung ginge also auch «smarter». Und natürlich wird das auch ein Thema für die Agrarpolitik sein. Insgesamt aber, das hat das Aargauer Projekt auch gezeigt, fehlt noch einiges an Grundlagenwissen, um die Risiken der zunehmenden Sommertrockenheit exakt einschätzen zu können – und aufzuzeigen, welche Anpassungsstrategien am besten funktionieren. Zahner sagt: «Die Situation im Bünztal ist sehr typisch für das Mittelland, Oberflächengewässer werden verbreitet nicht mehr für die Bewässerung genutzt werden können.» Und auch wenn die Trockenheit aus Sicht der Landwirtschaftsbetriebe «eventuell nicht die grösste Herausforderung» darstelle, so reihe sie sich doch ein in ein grösseres Ganzes: «Schaffen wir es rechtzeitig, die Landwirtschaft klimaresilient zu machen?»
Die neue Klima-Realität
Zum Schluss fährt einen Bryner noch runter zur Bünz, die friedlich und zivilisiert-begradigt durch die mittelländische Zersiedelung gluckert – manche würden es einen grossen Bach, manche ein kleines Flüsschen nennen. Lange Jahre haben die Gemüseproduzentinnen und -produzenten hier Wasser geholt, ohne dass viel Aufhebens darum gemacht wurde («aus der Bünz konnte man pumpen so viel man wollte»). In den letzten Sommern aber bereitete immer öfter Niedrigwasser Probleme, vor allem aber die starke Erwärmung, die regelmässig zur Folge habe, dass ein Wasserentnahmestopp ausgesprochen werden muss. Sonst ist die Gefahr eines Fischsterbens gross. Und der Landwirt merkt plötzlich, dass seine Bedürfnisse Teil eines komplexen Systems sind. «Früher war es so: Man wollte bewässern, also suchte man technische Lösungen.» Heute dagegen kämen «immer mehr Akteure auf die Bühne», die wiederum eine andere Perspektive mitbrächten – Naturschutz, Trinkwasserversorgung, Politik. Es klingt nicht frustriert, wie Bryner das sagt, es klingt pragmatisch – eben im Sinne einer Klima-Realität, mit der Landwirtinnen und Landwirte heute schon konfrontiert sind.