moneta: Gerald Hüther, in Ihrem Buch «Was schenken wir unseren Kindern?» zeigen Sie Eltern auf, welche Geschenke Kinder wirklich brauchen – Geldgeschenke, Spielzeuge und andere Produkte gehörten nicht dazu. Warum?
Gerald Hüther: Kinder wollen sich als selbstwirksame Subjekte erfahren, schon von klein auf. Die grössten Geschenke, die wir ihnen deshalb geben können, sind Verbundenheit, Geborgenheit, Vertrauen und Autonomie, sodass sie von ihrem sicheren Hafen aus – dem Zuhause – die Welt erkunden können. Alle Kinder wollen lernen. Ihnen ermöglichen, diese Lernfreude zu bewahren, ist das grösste Geschenk, das wir ihnen machen können, für ihren ganzen weiteren Lebensweg.
Konsequent auf materielle Geschenke zu verzichten, ist aber extrem schwierig, erst recht ab dem Kindergartenalter, wo Kinder stark von Gleichaltrigen beeinflusst werden.
Richtig. Keine Familie ist allein auf dieser Welt. Das Kind hat Freunde, die ein Taschengeld und Dinge geschenkt erhalten, die das eigene Kind ebenfalls haben will. Spätestens dann, wenn es sich aus der Peer-Gemeinschaft ausgeschlossen fühlt, kapitulieren Eltern.
Verständlich. Gibt es keine Strategien dagegen?
Das Kind müsste im Kindergarten und in der Schule Freunde haben, deren Eltern ähnliche Ansichten und Werte vertreten. In der Gruppe sind Kinder besser vor Ausgrenzung geschützt. Man müsste also im Quartier schon vor Beginn der Schulzeit solche Familien finden und ein paar gemeinsame Nachmittage verbringen – die Chance ist gross, dass die Kinder sich befreunden.
Und die Eltern auch. Trotzdem hat das Kind ja – hoffentlich – seinen eigenen Willen. Es befreundet sich womöglich mit ganz anderen Kindern und entwickelt eine andere Einstellung als die Eltern zu Geld und Konsum.
Ja, und ich rate dringend davon ab, das Kind zu sich «rüberziehen» zu wollen, denn das würde sein Bedürfnis verletzen, mit den andern verbunden zu sein. Die Eltern können nur versuchen, ein anderes Vorbild zu sein. Einstein brachte es sehr gut auf den Punkt mit den Worten: «Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild zu sein, wenn es nicht anders geht, ein abschreckendes.» Kinder erkennen, was ein ungünstiges Vorbild ist und nehmen Abstand, gehen einen eigenen Weg. Das schaffen aber nicht alle. Schöner wäre, ein positives Vorbild zu sein.
Im Bauch eines bunten Sparschweins erhält Geld schon früh Zutritt ins Kinderzimmer. Wie wirkt es auf Kinder?
Das kommt auf die Eltern an. Es ist ohnehin so: Kinder interessieren sich nur für Geld, solange es Erwachsene gibt, die dem Geld eine grosse Bedeutung beimessen. Die Erwachsenen pflanzen dem Kind diese Einstellung ein.
Indem zu Hause über Geld gesprochen wird?
Nicht nur. Es passiert auch unbewusst, über Taschengeld und Geschenke.
Es gibt auch ganz spezielle Sparschweine mit mehreren Kammern, sodass das Kind sich zwischen verschiedenen Sparzielen entscheiden kann. In einer Kammer kann es ausserdem Geld für einen guten Zweck sammeln. Was halten Sie davon?
Das finde ich sehr gut. Das Kind lernt so, dass es mit Geld nicht nur Dinge für sich selber kaufen kann. Ein Kind, das ich kenne, ermöglicht einem gleichaltrigen Waisenkind in Nepal mit wenigen Euro pro Woche, dass es zur Schule gehen kann. Die beiden schreiben sich sogar, auf Englisch. So entsteht eine Art Freundschaft. Wunderbar daran ist auch, dass ein Kind so die Möglichkeit erhält, zu begreifen, dass es mit Geld auch wirklich Gutes anstellen kann. Was es unterstützt, muss allerdings konkret sein.