moneta: Dieses Magazin entstand mehrheitlich während des Wahlkampfs in den USA. Wo die Hoffnung der einen die Angst der anderen war …
Daniel Graf: Nicht ganz. Es sind zwei ganz unterschiedliche Perspektiven: Die einen sagen, dass es nur einen Kuchen zum Verteilen gibt. Je mehr Menschen ein Stück davon erhalten, desto kleiner wird das eigene Stück. Angst bedeutet dann, mit anderen teilen zu müssen.
Was ist die andere Perspektive?
Sie spricht lieber über die Gesellschaft als Bäckerei. Wenn wir zusammenarbeiten und bereit sind zu teilen, haben wir mehr für alle. Die Angst hier ist, dass die Bäckerei von der Gegenseite lahmgelegt wird und der Kampf um die Kuchenstücke beginnt.
Angst ist also Ausdruck einer Beschränkung respektive einer beschränkten Vorstellungskraft, und das Gegenteil davon sind Möglichkeiten und Offenheit –– an denen sich wiederum Hoffnung orientieren kann?
Ja. Bei der Angst liegt der Fokus auf einer Bedrohung – ohne zu wissen, wie man darauf reagieren kann. Die Hoffnung dagegen sagt: Es ist viel mehr möglich. Die Realität liegt meistens irgendwo dazwischen.
In welcher Beziehung stehen Angst respektive Hoffnung zu unseren direkt-demokratischen Instrumenten Initiative und Referendum?
Vereinfacht gesagt steht das Referendum meistens für ein Nein, der Fokus liegt auf dem Problem. Bei der Initiative hingegen, die ein Ja anstrebt, liegt der Fokus auf einer Lösung. So wundert es nicht, dass man mit einem Referendum gute Chancen hat zu gewinnen, während erfolgreiche Initiativen selten sind.
Das Problem schlägt also naturgemäss die Lösung, die Angst die Hoffnung, das Nein das Ja. Warum?
Weil sich Probleme gut summieren lassen. Das dient dem Nein. Bei einem Ja ist das viel schwieriger. Man hat eine Lösung, die man verteidigen muss gegen die vielfältigen Bedenken der Gegenseite. Diese arbeitet in der Regel darauf hin, immer neue Schwachstellen zum Thema zu machen. Deshalb ist es schwierig, eine Initiative ins Ziel zu bringen.
Wie gelingt es Ihnen als Campaigner, die Menschen zum Handeln zu bringen?
Als erstes müssen wir ihre Aufmerksamkeit erhalten. Ein beliebtes Mittel dafür sind Soziale Medien, Sonntagszeitungen oder Inserate. Sie können ein erstes Interesse wecken. Das darf nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, die Leute müssen sofort verstehen, worum es geht und weshalb sie das persönlich betrifft. In einem nächsten Schritt sagt man den Leuten: Du kannst etwas ändern! Etwa indem sie eine Petition oder eine Initiative unterzeichnen können. Wichtig ist die Abfolge der Schritte – ohne Aufmerksamkeit gelingt keine Aktion.
Was lässt sich besser adressieren: Hoffnung oder Angst?
Angst ist etwas sehr Impulsives, Direktes, und deshalb einfacher anzusprechen. Nur verbraucht sie sich schneller. Wie wir alle wissen, stirbt die Hoffnung zuletzt! Wenn es gelingt, Hoffnung zu verbreiten, ist die Wirkung anhaltender als bei der Angst. Hoffnung schafft eine stärkere Verbindung unter den Menschen.
Mich bringt eine Kombination aus Angst und Hoffnung ins Handeln: Die Angst rüttelt mich wach, die Hoffnung lässt mich aktiv werden.
Die meisten Menschen reagieren so. Es braucht einen starken Impuls zum Aufwachen. Politische Kampagnen vermitteln daher eine Dringlichkeit, sie weisen auf eine Bedrohung oder einen Missstand hin und rufen: Wir müssen handeln! Die Kunst des Campaignings liegt darin, die lähmende «Was kann ich schon tun?»-Haltung zu durchbrechen. Der Schlüssel ist, dem Menschen zu zeigen: Gemeinsam können wir tatsächlich etwas bewegen.
Gibt es für Sie rote Linien in der Kampagnenarbeit?
Nach unten zu treten, also Schwächere anzugreifen, kommt für mich nicht in Frage. Einflussreiche Personen müssen mehr Gegenwind aushalten können, aber auch da gibt's Grenzen. Doch etwa Spott und Ironie sind durchaus angebracht und legitim.
Was gibt Ihnen persönlich Hoffnung?
Junge, engagierte Menschen. Was einmal war, ist ihnen oft piepegal. Sie schauen, was jetzt ist, und was sie für die Zukunft wollen. Das birgt eine enorme Kraft.