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17.03.2021 von Esther Banz

Eltern: Wie macht ihrs?

Wie ist Geld und Konsum bei Eltern Thema, ganz praktisch und auf der Werteebene? Eine kleine Umfrage bei Müttern und Vätern.

Artikel in Thema Porträts
Illustration: Claudine Etter
Mit der Elternschaft begann eine neue (Zeit-)Rechnung. Mein ganzes, auch in Geldfragen selbstbestimmtes und einigermassen unbekümmertes Erwachsenenleben nahm ein jähes Ende. Bisher musste das Geld, das ich verdiente, allein für mich reichen. Und das Alter schien weit weg. Jetzt ertappe ich mich öfters bei Fragen wie: Wann werden wir eigentlich pensioniert? Und wie alt wird dann unsere Tochter sein? Wie viel liegt auf unseren (Pensions-)Konti? Könnten wir ihr ein allfälliges Studium überhaupt finanzieren? Oder müssen wir in den nächsten zwölf Jahren zusätzlich Geld sparen? Obwohl: Das ist gar nicht so einfach, seit wir zu dritt sind. Unsere beiden nicht so hohen Löhne müssen ja nicht nur für drei Personen reichen, sondern auch für die grössere Wohnung und vor allem für die externe Kinderbetreuung. 
Auch als Wertethema fordert Geld ein neues Bewusstsein und Entscheidungen dem Kind gegenüber: Was will ich ihm vermitteln? Ich weiss nicht mehr, wie alt unsere Tochter war, als sie erstmals laut und zornig rief: «Das ist meins! Damit darf niemand anderes spielen!» Ups. Wie darauf reagieren? Werden hier schon Weichen gestellt? Überhaupt, der Konsum. Die Verführungen in den Supermärkten sind das eine Reizthema, das andere: Plötzlich gehen emotional besetzte Gegenstände mir nichts, dir nichts kaputt. Soll man schimpfen, das Kind zu einem sorgfältigeren Umgang anhalten? Oder erhalten Produkte dadurch erst recht einen Stellenwert, den man ihnen eigentlich gar nicht geben möchte? 
Und nicht zuletzt stellen sich die grossen Fragen: Wie erlangt unsere Tochter einen bewussten, auch solidarischen Umgang mit Geld? Und wie erklären wir ihr, dass wir sehr wohl im Überfluss leben, auch wenn wir dauernd knapp bei Kasse sind? Oder was unser Überfluss bedeutet, wenn wir beispielsweise danach fragen, unter welchen Umständen die Kleider produziert wurden, die wir tragen?
Unsere Tochter ist erst fünf Jahre alt. Meine bisherigen Erkenntnisse zu Kind, Geld und Konsum: Es ist kompliziert und oft unbefriedigend. Aber was sagen andere Eltern? Wie ist Geld und Konsum bei ihnen Thema?

Mattea Meyer, SP-Co-Präsidentin; Mädchen (4)

«Wir versuchen, unserer Tochter einen ungezwungenen Umgang mit Geld und Dingen zu vermitteln: weder verschwenderisch noch geizig. In einem schönen Kinderbuch, das wir immer wieder zusammen anschauen, geht es ums Teilen. Eines Abends zügelte sie eines  der beiden Nachttischli aus unserem Schlafzimmer in ihres. Sie fand: ‹Ihr habt zwei, ich keines. Ihr müsst auch teilen lernen!›
Wenn Kinder zu Besuch kommen, muss sie ihre Lieblingskuscheltiere nicht allen andern zum Anfassen geben. Es ist uns wichtig, dass sie das Recht hat, auch in solchen Dingen Nein zu sagen.» 

Andrea Bauer, Redaktorin; Junge (7) und Mädchen (5)

«Unser älterer Sohn ist in der ersten Klasse und erhält jetzt erstmals Taschengeld. Seither versteht er: Wenn ich das spare, kann ich mir Dinge kaufen.  Beim Tauschen von Ninjago-Karten wurden die jüngeren von den älteren Kindern eine Zeit lang ständig übers Ohr gehauen. Wir mussten uns überlegen, wie wir uns dazu verhalten sollen – was moralisch gar nicht so einfach war: Bringen wir unserem Sohn bei, wie er beim Tauschen das Beste für sich rausholen kann? Oder aber, dass es okay ist, sich über den Tisch ziehen zu lassen? Beides war nicht das, was wir ihm vermitteln wollten. Schliesslich gaben wir ihm Handlungsmöglichkeiten, wir liessen ihn überlegen: Welche Karte ist mir viel wert, welche weniger? Am Schluss waren wir alle sogar glücklich über diese Erfahrung, weil sie uns darüber nachdenken liess: Wer bestimmt eigentlich, was wie viel Wert hat?»

Brigitta Bernet, Historikerin, und Koni Weber, Programmierer; zwei Jungen (10 und 7)

Koni: «Unsere Kinder sind noch fest am Sammeln. Neben Federn auch Noten, beides flog öfters einfach im Zimmer rum. Wir brachten die Noten dann zur Bank. Die Buben haben je ein Jugendsparkonto.»

Brigitta: «Was mich sehr umtreibt, sind die grossen Vermögensunterschiede und die Kapitalakkumulation einiger weniger auf Kosten der Löhne. Aber wie lässt sich dieses Thema für Kinder herunterbrechen? Ich habe versucht, es über die verschiedenen Berufe zu erklären. Unser älterer Sohn hörte aufmerksam zu. Er möchte dereinst einen sinnvollen Beruf ausüben. Uns sieht er vor allem am Computer arbeiten – dass man vor einem Bildschirm sitzend Geld verdienen kann, findet er seltsam. Dass Bauern und Bäuerinnen mit ihrer Arbeit Geld verdienen, scheint ihm hingegen völlig logisch.»

Dominik Gross, Spezialist für globale Finanz- und Steuerpolitik bei einer NGO, und Katharina Morawek, Ausstellungsmacherin und Beraterin für Demokratisierungsprozesse im Kulturbereich. Junge (3) und Mädchen (2 Monate)

«Geld ist für unseren Sohn noch kein Thema, Teilen aber schon. Wir möchten ihm Grosszügigkeit im Umgang mit dem eigenen Besitz vermitteln, aber auch Sorgfalt mit den eigenen Sachen und jenen von anderen. Spielsachen zu teilen, scheint uns dafür eine gute Übung. Generell ist uns wichtig, dass unsere Kinder einen pragmatischen Umgang mit Geld lernen. Geld selbst ist ja an sich nichts mehr als ein Medium, um materielle Werte auszudrücken. Ungleichheit und Armut kommen erst durch Herrschaft und Ausbeutung in die Welt, nicht durchs Geld an sich. Geld oder nicht Geld ist also nicht die Frage, sondern wie Besitz und Reichtum unter uns allen möglichst gleich verteilt werden – ob in der Krippe oder der ganzen Gesellschaft.»

Alice Kohli, angehende Physikerin und Lehrerin; zwei Mädchen (4 und 3)

«Gestern gab es im Kinderzimmer einen seltenen Geld-Moment: Die Mädchen verteilten Kuchen und verlangten drei Bätzeli dafür. Sie haben also bereits ein Verständnis dafür, dass Geld so etwas wie ein Tauschschein ist. Ansonsten sind Münzen und Noten aber noch etwas Abstraktes für sie. Sowenig das für sie ein Thema ist, sosehr ist es plötzlich für mich eines geworden, seit ich Mutter bin: Ich mache mir viel mehr Gedanken über die Zukunft, sogar zu  Vorsorgethemen, die mich zuvor überhaupt nicht interessierten. Und ich bin insgesamt nicht mehr so entspannt im Umgang mit Geld.»

Julia Hofstetter, Illustratorin, Ziegenhirtin, Kommunikationsbeauftragte, Gemeinderätin; zwei Töchter (19 und 15)

Julia: «Konsum und Finanzflüsse sind für mich wichtige Themen, nicht zuletzt, weil mich die Klimakrise und der Verlust der Biodiversität beunruhigen. Es beschäftigt mich auch, dass Menschen für die Produkte, die ich kaufe, ausgebeutet werden. Meine Töchter wollte ich mit diesen Themen aber nicht belasten. Kinder sollen unbeschwert und im Vertrauen aufwachsen dürfen, dass die Welt grundsätzlich gut ist. Wir haben deshalb als Eltern versucht, diese schwierigen Themen positiv zu besetzen, etwa indem wir unseren Töchtern die Freude an nachhaltig produzierten Produkten vermitteln und saisonal einkaufen. Sie hatten früh ihr eigenes Geld, nicht nur Taschengeld, sondern einen Jugendlohn. So haben sie gelernt, selber mit Geld zu haushalten.»

Die ältere Tochter: «Den Jugendlohn erhielt ich erstmals mit zwölf Jahren. Anfangs waren es 200 Franken im Monat. Wir haben die Höhe jedes Jahr neu berechnet und dabei geschaut, was ich für Essen, Kleider, Hygieneartikel brauche. Je älter ich wurde, desto mehr Geld hatte ich zur Verfügung. Ich kaufte nie grosse, teure Sachen, sparte aber auch nicht viel.»

Min Li Marti, SP-Nationalrätin und Verlegerin; Mädchen (3)

«Kaum sind Kinder da, hat man zu Hause viel mehr Sachen rumliegen. Ich finde das nicht so schlimm, die Kinder müssen ja lernen, mit der Konsumwelt umzugehen. Wichtig ist uns, dass unsere Tochter lernt: Jede kann mithelfen, Probleme zu lösen, sei es beim Klima oder bei den sozialen Ungerechtigkeiten. Mein Mann Balthasar Glättli und ich reden ja oft über solche Dinge, auch am Familientisch. Sorge bereitet mir – und das hat sehr konkret mit dem Kapitalismus zu tun –, dass Kinder heutzutage angeblich lernen müssen, sich zu behaupten und anzupassen, um später in einem gnadenlosen Berufsleben zu bestehen. Man sollte die Kinder doch einfach in dem fördern, was sie gern machen.»
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