Ein Montagvormittag in einem Stadtzürcher Café, Interview mit der Historikerin Elisabeth Joris. An den Nebentischen sitzen viele Mütter mit Kleinkindern. Ein betreuender Vater ist nicht zu sehen. Offizielle Zahlen zeigen: Zwar sind die meisten Kinder an manchen Tagen in einer Betreuungseinrichtung, aber «die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie ist in der Schweiz bis heute ein Frauenthema», sagt Elisabeth Joris, die später ihre Enkelinnen von der Schule abholen wird.
Dabei war die Schweiz in Sachen Frauenrechte einst Pionierin, wie die auf Frauengeschichte spezialisierte Zürcher Historikerin sagt. Schon im späteren 19. Jahrhundert forderten Frauen- und Arbeiterinnenvereine neben dem Frauenstimmrecht mehr Mutterschutz. Im Fabrikgesetz von 1877 wurde – international vorbildlich – ein achtwöchiges Arbeitsverbot für Frauen nach der Geburt verankert. Damals waren hierzulande so viele Frauen ausserhäuslich erwerbstätig wie kaum sonst in Europa, vor allem der Textilfabriken wegen. Und die Schweiz verfügte laut Joris «über einen im Gegensatz zu heute fortschrittlichen linksliberalen Freisinn, der den Arbeiterinnenschutz unterstützte». Das Fabrikgesetz wurde vom Volk knapp angenommen. Allerdings sah es lediglich ein Arbeitsverbot vor, aber keine Entschädigung des Lohnausfalls oder Beteiligung an den medizinischen Kosten der Mutterschaft. Für die Arbeiterinnen war dies ein Problem. Für die anfänglich fortschrittliche Sozialpolitik markierte dann der niedergeschlagene Generalstreik 1918 den Wendepunkt. Von nun an wurden linke Anliegen hart bekämpft. Immerhin konnte noch die AHV realisiert werden.