Öffentliches Geld ist in der Schweiz knapp, vor allem wenn es um Sozialausgaben geht. Ein Grund dafür ist das ökonomische Prinzip, dass das Staatsdefizit aus Gründen der Stabilität möglichst klein bleiben sollte. Für die Vertreterinnen und Vertreter der Modern Monetary Theory ist dies allerdings ein «Mythos».
moneta: Johann Hug, Sie treten lieber unter Pseudonym an die Öffentlichkeit. Warum?
Johann Hug: Der Hauptgrund ist meine Unerfahrenheit in der Medienarbeit. Natürlich wäre es sinnvoll, mit meinem Klarnamen für unser Anliegen einzustehen, aber ich möchte zuerst einmal herausfinden, wie das so ist mit dem Medienecho.
Es geht also nicht darum, dass Sie lieber ein Geheimnis um Ihren Reichtum machen?
Ich bin niemand, der den Reichtum lebt, mich wird man nie mit einem Ferrari herumfahren sehen. Aber in meinem Umfeld weiss man um meine finanzielle Situation, ich habe da nicht wirklich etwas zu verbergen. Diese Tabuisierung von Geldbelangen, das sagt mir nichts.
Man könnte es auch «Diskretisierung» nennen, das gutschweizerische «Über Geld redet man nicht». War Ihnen immer klar, dass Sie einer besonderen «Klasse» angehören?
Nein, das war gar nicht so offensichtlich. Ich arbeite in der IT, da sind die Gehälter so hoch, dass meine privilegierte Situation zunächst gar nicht besonders auffällt. Würde ich im Niedriglohnsektor arbeiten, wäre das bestimmt ganz anders.
Sie sind aber noch anders gut gebettet, richtig?
Ja, wenn ich über Geld nachdenke, dann teile ich das auf: Da gibt es das Geld, das ich selbst verdiene, und dann gibt es das «Glück durch Geburt», das Vermögen, das von der Familie kommt, man nennt es richtigerweise auch «leistungsfreies Einkommen». Bei mir trägt dieses mindestens die Hälfte oder wohl eher gegen zwei Drittel zu meinem Vermögen bei. Das bedeutet auch, dass ich schon früh Geld ansparen und – erfolgreich – investieren konnte. Solch finanzielles Know-how erlangt man kaum, wenn am Ende des Monats kein Geld übrig ist, weil alles aufgebraucht ist.
Also verfügen Sie unterdessen auch über einiges an eigenem Kapital?
Ein wenig so, wie es sein soll, nicht? Man arbeitet fleissig, und das zahlt sich aus – gerade in der Schweiz gilt das ja als Grundtugend und Chance, für alle gleichermassen.
Ich höre da ein kleines Stirnrunzeln heraus?
Ja, ich musste auch lernen, zu verstehen, dass meine Karriere ebenfalls bevorteilt war durch die familiäre Situation, ich habe also doppelt geerbt, wenn man so will. Dank meiner Familie konnte ich eine gute Ausbildung machen, hatte ich ein stabiles Umfeld, mit Eltern, die genug Zeit hatten für mich.
Sie sprechen da den sogenannten Klassismus an, der in der Schweiz ebenfalls kaum ein Thema ist. Wie Sie schon angetönt haben, tun wir ja gern so, als hätten hier alle die gleichen Chancen, reich zu werden.
Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als mir klar wurde, dass da etwas nicht aufgeht. Ich machte einen Grobabriss meiner Finanzen. Es zeigte sich, dass ich mich mit den vorhandenen Mitteln über zehn Jahre hätte durchfinanzieren können, ohne einen Finger zu rühren. Das kam mir für einen Menschen unter dreissig schon einigermassen absurd vor. Noch absurder wurde es, als eine namhafte Erbschaft dazukam. Ich verglich mich mit Leuten in meinem Alter, was die Ziele angeht, die man so hat im Leben, und ich merkte: Ich hatte diese im Prinzip schon erreicht – ohne etwas machen zu müssen. Das irritierte mich, weil mir die Vorstellung gefällt, dass man etwas leisten muss, um etwas zu erreichen.
Deshalb engagieren Sie sich nun mit taxmenow für mehr Steuergerechtigkeit. Was nicht so einfach sein wird – haben Sie eine Vorstellung davon, wie hoch die Steuern für Ihresgleichen sein müssten, um für wirklich gleich lange Spiesse zu sorgen?
Wir haben natürlich Ideen, aber ich glaube, ich bin der Falsche, um hier eine konkrete Zahl zu nennen. Denn was wir im Verein auch vermeiden wollen: Dass es wieder die Vermögenden sind, die bestimmen, wie das System konstruiert sein soll. Auf jeden Fall braucht es eine stark progressive Besteuerung, aber bei der konkreten Ausgestaltung sollten wir uns auf das Urteil von Experten abstützen.
Doch die Idee der Umverteilung ist auf jeden Fall zentral?
Ja, das ist die Mission von taxmenow. Uns eint der Wunsch, dass sich die Vorgaben ändern, gesamtgesellschaftlich. Und wir betrachten Steuern als taugliches Mittel, um die Vermögen gerechter zu verteilen.
Und was halten Sie von grossformatigen Spenden-Initiativen wie der «Giving Pledge»?
Bei Spenden sind wir skeptisch. Wenn eine vermögende Person spendet – auch wenn es sich um einen ansehnlichen Betrag handelt –, hat sich noch nichts Systematisches verändert. Nur bei Steuereinnahmen entscheiden wir gemeinsam und demokratisch, was mit dem Geld geschehen soll: Geben wir mehr für Bildung aus oder doch eher für erneuerbare Energien?
Was aber auch heisst, dass Sie die Kontrolle aus der Hand geben, was mit Ihrem Geld «Sinnvolles» passieren kann.
Ja, das stimmt. Ich hätte aber auch kein Problem damit, wenn die Mehrheit entscheiden würde, das Geld, sagen wir mal, für einen Sportgrossanlass auszugeben, mit dem ich persönlich nicht viel anfangen kann. Ich bekomme jeweils auch Kritik zu hören in Bezug auf die Ausgabenpolitik des Staates. Da entgegne ich gern: Zeig mir mal die wirklich unvernünftigen Ausgaben eines Staates, zeig mir die 300-Meter-Jacht, die er sich gekauft hat.
Auf diese Weise unvernünftig mag er nicht sein, aber gleichzeitig hat dieser Staat auch Mühe, angemessen auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Hätten Sie nicht die Mittel in der Hand, um beispielsweise wirklich wirksame Umweltprojekte anzustossen, an der Politik vorbei?
Klar kann man schneller und effizienter gestalten, wenn man allein als Diktator über die Verwendung von Geldern entscheiden kann. Das ist sicher ein Nachteil demokratischer Prozesse, dass sie umständlich sind und oft ein wenig langsam. Aber noch einmal: Es mag viele Leute geben, die mit ihrem Geld Grossartiges machen, aber es gibt eben mindestens ebenso viele, die ihr Vermögen für fragwürdige Zwecke einsetzen. Oder auf jeden Fall nicht für solche, die dem Allgemeinwohl dienen.
Erstaunt es Sie eigentlich, dass dieser Aktivismus für mehr Steuern so provokativ zu sein scheint?
taxmenow bekommt tatsächlich sehr viel Medienaufmerksamkeit. Wir scherzen zuweilen, der Verein sei nur gegründet worden, um der «Neiddebatte» Wind aus den Segeln zu nehmen. Das ist ja ein Totschlagargument, um keine echte Diskussion um Steuern führen zu müssen. Eben waren wir mit dem Verein am WEF und haben Unterschriften gesammelt von Menschen, die bereit wären, mehr Steuern zu bezahlen. Damit schafften wir es dann auch in die «Tagesschau».
Wie muss man sich das genau vorstellen, taxmenow am WEF? Offiziell eingeladen waren Sie wohl nicht?
Nein, der Verein hat sich da einfach mit einem Schild unter die Leute gemischt und die Diskussion gesucht. Es ging schlicht darum, Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren.
Und das klappt? Aufmerksamkeit bekommen Sie ja, aber tut sich auch etwas in den Köpfen? Oder ist Ihr Aktivismus letztlich eine Alibiübung?
Meiner Erfahrung nach stossen wir mit den Kernargumenten auch bei vermögenden Personen nicht bloss auf Ablehnung. Ich glaube, dass die Debatte zunehmend Raum bekommt, vielleicht noch nicht so sehr in der Schweiz, weil hier die sozialen Verwerfungen noch weniger deutlich zu sehen sind. Wenn man aber das Beispiel Deutschland nimmt, dann sehe ich schon ein Umdenken. Oder zumindest eine Entwicklung in die richtige Richtung.
Welche politischen Ziele haben Sie sich denn im Verein gesetzt?
Wir haben keinen konkreten Zeitplan. Zunächst geht es darum, die Leute dazu zu bringen, Dinge zu hinterfragen. Vielleicht ist es ja auch gar nicht so wichtig, was wir in zehn oder zwanzig Jahren erreicht haben, so jedenfalls verstehe ich diese Art von Aktivismus. Die Absicht ist, den Scheinwerfer auf die gesellschaftlichen Problemfelder zu richten. Und wenn das schwer vermögende Menschen tun und der Scheinwerfer dementsprechend heller ist: umso besser.