Moneta: Fabian Teichmann, Sie wissen, wie inkriminiertes Geld in Schweizer Immobilien investiert wird. Vermutlich passiert das nicht, indem der Käufer dem Verkäufer diskret einen Geldkoffer unter dem Tisch durchschiebt?
Fabian Teichmann: Nicht für den gesamten Preis eines Hauses vielleicht. Aber doch, grundsätzlich finden auch Bartransaktionen statt.
Warum sind Immobilien interessant für die Geldwäscherei?
Die Immobilienbranche ist einer der wenigen Bereiche, wo man durch Geldwäscherei Geld verdienen kann. Normalerweise kostet es, Geld zu waschen. Nehmen wir den Klassiker, die Pizzeria: Da gibt es Miet-, Lohn- und Materialkosten. Oder wenn man via Handelsgesellschaften operiert, muss man für die Plausibilisierung der Herkunft der Vermögenswerte gewisse Kosten auf sich nehmen. In der Immobilienbranche können Geldwäscher Liegenschaften hingegen häufig günstiger als andere Marktteilnehmer einkaufen und sanieren.
Warum? Welche Vorteile hat jemand, der mit inkriminiertem Geldern ein Haus kauft und sanieren lässt, gegenüber «normalen» Interessierten?
Beim Sanieren denke man beispielsweise an die Barzahlung eines Handwerkers, der im Gegenzug für den Verzicht auf eine Rechnung bereit ist, einen gewissen Rabatt zu gewähren.
Und beim Kauf?
Ein Beispiel: Eine Liegenschaft steht für 10 Millionen Franken zum Verkauf. Der Käufer, der Geld waschen will, schlägt vor, dass er 7 Millionen normal über ein Bankkonto bezahlt und man sich für die verbleibenden 3 Millionen unter dem Tisch einigt. In aller Regel wird dieser kleinere Teil in bar beglichen – und da ist
ein Rabatt denkbar. Denn auch für den Verkäufer ist diese Aufsplittung interessant.
Er muss so weniger Steuern bezahlen für die Transaktion. Und wenn er zufällig auch noch in Scheidung ist, kann er diesen Anteil bei einer güterrechtlichen Auseinandersetzung vor seiner Gattin verstecken.
Und der Käufer, der mit Geld aus illegaler Herkunft bezahlt, hat bei einer teilweisen Barzahlung seinerseits einen Marktvorteil?
Ja, weil es sich für den Verkäufer dann immer noch lohnt, einen Rabatt zu gewähren.
So erhält der Geldwäscher nicht nur den Vorzug gegenüber einem anderen Käufer, sondern er kann die Liegenschaft auch noch günstiger einkaufen als ein Marktteilnehmer mit legalen Vermögenswerten, der alles offiziell via Bank überweisen würde.
Das bedingt kriminelle Energie auf beiden Seiten. Wie findet man sich?
Diese Personen spüren das in der Regel im Gespräch. Verhandelt man über den Kauf einer Liegenschaft, spricht man bald einmal über Zahlungsmodalitäten. Wenn ein Kaufinteressent erwähnt, er wäre vielleicht bereit, einen Teil in bar zu bezahlen, merkt er an der Reaktion seines Gegenübers schnell, ob grundsätzliches Interesse besteht. Und wenn nicht, kann er die Übung zügig abbrechen. Auch pflegt man in aller Regel ja einen gewissen Small-Talk, bevor man mit jemandem ins Geschäft kommt. Da erkundigt man sich ziemlich sicher auch, warum jemand die Liegenschaft verkauft. Wenn der Verkäufer erzählt, er habe gerade finanzielle Probleme oder trenne sich von seiner Partnerin, sind das sogenannte Red Flags: Hinweise.
Das Bargeld ist das eine, das andere ist jenes Geld, das von einem Konto zur Bezahlung der Immobilie überwiesen wird. Das Geldwäschereigesetz verpflichtet die Banken, die Herkunft von Geldern zu überprüfen. Wie gelingt es dem Geldwäscher trotzdem, auf seinem Bankkonto eine hohe Summe krimineller Herkunft zu halten und damit ein Haus in der Schweiz zu kaufen?
Via verschachtelter Unternehmenskonstrukte und einen Strohmann in der Schweiz.
Bitte ein Beispiel!
Gerne. Wir haben beispielsweise einen korrupten Amtsträger in einem fernen Land. Und ein multinationales Unternehmen, das in diesem Land eine «ausserordentliche» Bewilligung braucht. Der Deal: Der korrupte Minister erteilt die Bewilligung, im Gegenzug erhält er über Umwege Schmiergeld auf ein Schweizer Konto. Das funktioniert, indem der er in der Schweiz einen Strohmann hat. Dieser wiederum besitzt eine Holdinggesellschaft mit verschiedenen Tochtergesellschaften, Start-ups beispielsweise. Er verkauft eines der Start-ups, und zwar zu einem überteuerten Preis an das multinationale Unternehmen. Im Betrag ist das Schmiergeld enthalten, das der Strohmann für den korrupten Amtsträger einsackt – und dann beispielsweise in eine Immobilie in der Schweiz investiert. Ähnlich funktioniert es mit Beratungshonoraren: Ein Schweizer Strohmann stellt dem multinationalen Unternehmen über eine seiner Tochterfirmen ein fiktives Beratungshonorar in Rechnung, mit dem Geld kauft er eine Immobilie in der Schweiz, auch das im Auftrag des korrupten Ministers.
Geldwäscherei in der Immobilienbranche ist also auch via Geld auf Schweizer Bankkonten problemlos möglich?
Zumindest können die Banken auch unter Einhaltung aller Compliance-Massnahmen die Geldwäscherei im Immobiliensektor kaum verhindern.
Ihr Wissen basiert auf eigener Forschung. Sie haben Ihre Dissertation, die auch als Buch erhältlich ist, über die Methoden der Geldwäscherei geschrieben. Haben Sie denn Kenntnis von konkreten Fällen?
Grundsätzlich spricht man abstrakt darüber in der Branche.
Das heisst?
Man fragt zum Beispiel: «Angenommen jemand wollte eine Straftat begehen – wie könnte er es machen, rein hypothetisch gesprochen?» Wenn jemand in anonymisierter Form antworten kann, sind seine Schilderungen viel umfangreicher, als wenn er von einer konkreten Straftat erzählen soll.
Mit wem haben Sie gesprochen?
Mit mutmasslichen Straftätern und mit Präventionsexperten wie Staatsanwälten, Mitarbeitenden von Financial Intelligence Units und der Meldestelle für Geldwäscherei.
Die Preise für Boden und Immobilien steigen und steigen. Es wird für normal Verdienende immer schwieriger, ein Haus zu kaufen. Begünstigen diese Bedingungen die Geldwäscherei mit Immobilien?
Für Geldwäscher ist es interessant, dort zu kaufen, wo sie auch wieder verkaufen können. Deshalb ist das Marktumfeld für Geldwäscher im Moment interessant, vor allem in den grösseren Städten.
Die Lex Koller verbietet es Ausländern, die ihren Wohnsitz ausserhalb der Schweiz haben, Wohnliegenschaften zu erwerben. Vorheriges Beispiel zeigt aber, dass es doch möglich ist, via Strohmann in der Schweiz Immobilien zu kaufen, selbst zum Zweck der Geldwäscherei …
Ja, beispielsweise, wenn ein Schweizer offiziell eine Liegenschaft kauft, aber in Tat und Wahrheit ein Dritter wirtschaftlich berechtigt ist – das kann ein Ausländer sein, der gar keine Rechte hätte, hierzulande ein Mehrfamilienhaus zu erwerben. Er kann dazu sogar seine inkriminierten Vermögenswerte verwenden. Das gibt es wohl, aber diese Fälle sind sehr schwierig zu erkennen.
Es ist hingegen nicht schwierig herauszufinden, wenn es sich bei einem Käufer um eine Briefkastenfirma handelt.
Ja, aber Briefkastenfirmen sind nicht per se etwas Strafbares. Dabei kann es sich um eine kleine Immobiliengesellschaft handeln, die vielleicht nur wenige Liegenschaften besitzt und deswegen kein eigenes Personal beschäftigt, sondern nur einen Verwaltungsrat hat. Dann braucht sie auch kein Büro. Alle Dienstleistungen, die erbracht werden müssen – Hausverwaltung, Sekretariat, Reinigung – kann diese kleine Immobiliengesellschaft von Partnern beziehen. Vielleicht handelt es sich dabei um die Aktiengesellschaft eines Investors, der pieksauber erworbene 10 Millionen Franken in Immobilien investieren will – er kauft zwei Mehrfamilienhäuser und saniert sie. Das Ganze macht er aus steuerlichen Gründen über seine Immobiliengesellschaft. Daran ist alles legal. Strafbar wäre nur, wenn die Vermögenswerte, die er für den Kauf der Liegenschaft einsetzt, inkriminiert wären. An dem Beispiel sieht man sehr gut, wie nah Recht und Unrecht beieinander liegen.
Nochmals zur Geldwäscherei: Gibt es Schätzungen zu den Dimensionen? Wie viel Geld wird in der Schweiz über Immobilien weissgewaschen?
Es handelt sich um ein Dunkelfeld. Davon ausgehend, dass sich intelligente Täter nicht erwischen lassen, sind seriöse Schätzungen aus meiner Sicht nicht möglich.