Die von reCIRCLE entwickelte Kreislauflösung für die Verpackung von Essen und Getränken zum Mitnehmen setzt auf hochwertiges Mehrweggeschirr, das in der Schweiz hergestellt und recycelt wird. Dazwischen zirkulieren die reCIRCLE-Produkte hunderte Male zwischen Privatpersonen und dem Netzwerk der Gastro-Partnerbetriebe.
moneta: Peter Hammesfahr, zwei Jahre ist es her, seit die ABS sich dazu bekannt hat, das Modell der Kreislaufwirtschaft zu fördern. Wie gross ist die Nachfrage nach solchen Krediten?
Peter Hammesfahr Ganz ehrlich: Die Resonanz ist bescheiden. Wir sind zwar mit einem halben Dutzend Unternehmen, die sich für Kredite interessieren, in Kontakt. Doch zu einem Vertragsabschluss ist es bisher nicht gekommen.
Hat die ABS zu wenig für ihren neuen Fokus geworben?
Das glaube ich nicht. Wir führten mehrere Webinare durch, in denen wir das Thema lancierten und zur Diskussion stellten. Darüber hinaus informierten wir ausführlich in der moneta, um die bisherigen Kundinnen und Kunden für das Thema zu sensibilisieren. Zudem waren wir an Veranstaltungen von Partnern präsent, welche die Kreislaufwirtschaft vorantreiben. Auch ausserhalb der ABS wird Kreislaufwirtschaft immer mehr zum Thema.
Tatsächlich setzen laut einer Studie von Ende 2021 bloss zehn Prozent der Schweizer Unternehmen substanziell auf Kreislaufwirtschaft. Ist das Thema also mehr Schein als Sein?
Man könnte das Studienergebnis auch positiv interpretieren: Neun von zehn Schweizer Firmen sind noch nicht Teil der Kreislaufwirtschaft. Hier schlummert also ein enormes Potenzial.
Aber warum stehen die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer nicht Schlange bei der ABS?
Die Verhandlungen, die wir führen, zeigen, dass die Finanzierung nur eine der Hürden ist, die für den Wechsel zur Kreislaufwirtschaft genommen werden müssen – und noch dazu eine eher kleine. Wichtiger ist, dass die Vision in Richtung Kreislaufwirtschaft geht, eine Strategie da ist und es gelingt, das neue Geschäftsmodell betrieblich, buchhalterisch und steuerlich richtig aufzugleisen.
Was ist der wichtigste Unterschied der Kreislaufwirtschaft zu konventionellen Businessmodellen?
In der Kreislaufwirtschaft verkauft ein Unternehmen Nutzen und nicht Ware. Das Ziel sind nicht kurzlebige, modegetriebene Produkte, sondern möglichst langlebige. Die Firma generiert ihren Umsatz aus Vermietung sowie weiteren Dienstleistungen wie Wartung, Reparatur oder Logistik. Solche Geschäftsmodelle benötigen üblicherweise mehr Zeit, um in die schwarzen Zahlen zu kommen. Entsprechend müssen auch die Maschinen im Inventar anders bewertet und auf längere Frist abgeschrieben werden. Statt sieben Jahre für eine Kredittilgung, wie das Banken normalerweise als Maximum anerkennen, muss die Tilgungsfrist womöglich doppelt so lang sein.
Und hier schaltet sich die ABS ein und vergibt langfristige Kredite?
Richtig. Wir signalisieren, wie wichtig uns die Kreislaufwirtschaft auf dem Weg zu «netto null» ist, dass wir uns ein entsprechendes Know-how angeeignet haben und längerfristige Kreditlinien gewähren. Die Rückzahlungsfrist hängt vom jeweiligen Geschäftsmodell ab. Doch auch die Kreislaufwirtschaft muss rentieren.
Könnte die ABS in der Öffentlichkeit noch etwas forscher auftreten, damit die Wirtschaft den Kurswechsel vollzieht?
Auch wenn wir die Kreislaufwirtschaft wichtig finden, müssen wir uns auf unsere Bankkompetenzen konzentrieren. Wir sind kein Inkubator, der breit Überzeugungsarbeit leisten kann. Aber wir zeigen uns im Netzwerk wichtiger Akteure der Kreislaufwirtschaft wie Circular Economy Switzerland oder Shift und beraten, wenn es um die Finanzierung geht. Ist weitergehendes Fachwissen zu Methoden der Kreislaufwirtschaft nötig, verweisen wir an Partner wie etwa das Beratungsunternehmen Rytec.
Immerhin fördert der ABS-Innovationsfonds immer wieder Start-ups, die aus dem Bereich Kreislaufwirtschaft stammen, zum Beispiel recircle und Pretty Good. Haben es Start-ups einfacher als etablierte Firmen, in der Kreislaufwirtschaft aktiv zu werden?
Natürlich kann ein Start-up sein Geschäftsmodell von Beginn weg komplett auf Kreislaufwirtschaft designen. Doch Start-ups haben auch ein höheres Risiko, zu scheitern. Weil Start-ups oft die klassischen Bankkriterien nicht erfüllen, hat die ABS den Verein Innovationsfonds gegründet und alimentiert diesen mit Mitteln und Arbeitskraft. Überzeugt das Geschäftsmodell, sind langfristige und attraktive Darlehen oder Beteiligungen bis maximal 75 000 Franken möglich. Das genügt kaum, um zu starten, kann aber den Zugang zu anderen Investorinnen und Investoren ebnen.
Und warum setzen nicht mehr etablierte Firmen auf die Kreislaufwirtschaft?
Wer ein bestehendes, funktionierendes Geschäftsmodell hat, braucht einen guten Grund, um den Kurs zu verlassen und das Risiko des Scheiterns einzugehen. Es braucht also eine motivierte Geschäftsführung, die Nachhaltigkeit hoch gewichtet, und die Aussicht auf ein rentables Geschäft. Die Kundschaft muss das neue Produkt respektive die neue Dienstleistung in absehbarer Zeit nachfragen.
Ist die Gesellschaft schlicht noch nicht so weit?
Es braucht Zeit. Wir sehen das am Beispiel von Mobility: Ein Auto auf Abruf ist nachhaltiger, man verzichtet auf einen eigenen PW. Doch obwohl Mobility Erfolg hat, ist der Anteil der Shared Economy beim Individualverkehr noch zu klein. Denkt nun die Gesellschaft um und akzeptiert die neuen Modelle der Kreislaufwirtschaft, Nutzung statt Besitz zum Beispiel, hilft das, mehr Unternehmen für den Umstieg zu überzeugen.
Wo sieht die ABS ihre Rolle, die Gesellschaft auf die Kreislaufwirtschaft vorzubereiten?
Wir sensibilisieren Unternehmen und die Öffentlichkeit dafür, unter anderem mit dem vorliegenden Themenschwerpunkt. Gleichzeitig positionieren wir uns als Bank, die gerne Projekte aus der Kreislaufwirtschaft finanziert. Aber die ABS ist nur ein Puzzleteil. Damit die Kreislaufwirtschaft Boden gut machen kann, muss die Politik für bessere Rahmenbedingungen sorgen, die Unternehmerinnen und Unternehmen müssen ihre Produkte von Beginn weg als Kreislaufprodukt konzipieren – und wir alle müssen solche Angebote auch nachfragen.