Da wird Wikipedia beinah poetisch: «Genossenschaften sind Wertegemeinschaften, die in der Regel Ziele verfolgen, die über reine Wirtschaftsbetriebe hinausgehen.» Und weiter im Text: «In Tradition ihrer Gründer vertrauen Genossenschaftsmitglieder auf die ethischen Werte Ehrlichkeit, Offenheit, Sozialverantwortlichkeit und Interesse an anderen Menschen.» Es kann schon sein, dass da etwas Sentimentales in der Idee der Genossenschaft liegt, ein Idealismus, der zuweilen hin zur grossen Weltverbesserung tendierte. Nicht selten werden Genossenschaften aber aus der puren Not geboren. Wie das Musigbistrot-Kollektiv in Bern.
«Die Not und das Leben» hätten sie in dieses Abenteuer getrieben, sagt die studierte Sozialarbeiterin Dragana Draca. Vor etwas mehr als zwei Jahren ging gar nichts mehr in dem kleinen Gastrobetrieb, der sich mit regelmässigen Konzerten einen Namen gemacht hatte. Burn-out beim Wirt, aufgelaufene Schulden, verärgerte Geschäftspartner. Obwohl die Beiz doch eigentlich gar nicht schlecht lief. Die Angestellten wollten nicht einfach aufgeben – «wir hatten das Musigbistrot gern» –, stattdessen packten sie die Gelegenheit beim Schopf: Warum nicht selber Chef werden und zeigen, dass man doch eigentlich ganz gut weiss, wie der Laden läuft? Workers-Buy-out nennt man das im Fachjargon, es ist das kollektive Pendant zum besser bekannten Management-Buy-out. Oft organisieren sich die ehemaligen Angestellten und neuen Firmenbesitzer in Form einer Genossenschaft. Im Grunde änderte der Schritt vom Angestelltenverhältnis hin zum Mitglied einer Genossenschaft ja gar nicht so viel, meint Draca: «Es war eigentlich sowieso klar, dass die Leute den Betrieb selber geschmissen haben.» Der Chef als Strohmann – in dessen Händen aber gerade im Krisenfall eben doch viel zu viel Verantwortung liegt.