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13.03.2019 von Barbara Bohr

Mit Finanzwissen gegen die Vorsorgelücke

Frauen verdienen meist weniger als Männer, leben aber länger, weshalb sie im Alter mehr Geld brauchen. Sie müssten sich also intensiver mit Finanzplanung auseinandersetzen, als sie dies im Alltag oft tun. Frauenspezifische Beratungsangebote wollen dieses Manko beheben.

Artikel in Thema Frauen und Geld

Illustration: Claudine Etter
Wenn ein junges Paar einen Hypothekarkredit für das zukünftige Familiennest beantragt, berücksichtigt die Bank das Einkommen der Frau nicht, um die Tragbarkeit der monatlichen Belastung zu berechnen. Schnee von gestern? Von wegen. Das kann auch 2019 passieren. Für Banken ist die Rechnung einfach: Sie gehen davon aus, dass Frauen ihre Erwerbsarbeit aufgeben, sobald das erste Kind zur Welt kommt. Die Statistik gibt den Banken recht: Schweizer Mütter arbeiten mehrheitlich Teilzeit oder gar nicht. Schon ab 25 Jahren ist die Erwerbsquote der Frauen deutlich niedriger als jene der Männer.

Grosse Lücke bei der beruflichen Vorsorge

Das hat finanzielle Folgen: Gerade im Alter sind Frauen einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt. Während die Unterschiede bei den AHV-Renten zwischen Frauen und Männern gering sind, fällt der Unterschied in der beruflichen Vorsorge gross aus.
Bei den älteren Jahrgängen von 1937 bis 1948 erhält fast die Hälfte der Frauen gar keine Rente aus der beruflichen Vorsorge. Jüngere Jahrgänge holen zwar auf; ein erhebliches Risiko bleibt aber bestehen. Grund dafür ist, dass Erwerbstätige mit einem tiefen Einkommen nicht obligatorisch in der zweiten Säule versichert sind. Die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten (SKG) empfiehlt deshalb Frauen wie Männern, während der gesamten beruflichen Laufbahn durchschnittlich nicht weniger als 70 Prozent erwerbstätig zu sein. So verringern sich die finanziellen Risiken, selbst im Falle einer Scheidung.

Höhe der Leistungen aus der Altersvorsorge

Quelle: Bundesamt für Statistik
Das passive Verhalten von Frauen in Finanzfragen wird oft mit mangelndem Wissen begründet; denn in entsprechenden Tests schneiden Frauen schlechter ab als Männer. Eine Studie, die vom Max-Planck-Institut in Zusammenarbeit mit mehreren Hochschulen und der niederländischen Nationalbank erarbeitet wurde, kommt aber auch zum Ergebnis, dass Frauen weniger Vertrauen in ihr eigenes Finanzwissen haben. Sie antworten überproportional häufig mit «Ich weiss nicht» auf Fragen, ­sogar wenn sie die richtige Antwort wüssten. Ganz im ­Gegensatz zu den Männern, die sich in Finanzfragen manchmal zu viel zutrauen. Für das mangelnde Vertrauen der Frauen dürfte gerade in der Schweiz eine Rolle spielen, dass die Geschichte ihrer finanziellen Unabhängigkeit eine recht kurze ist. Bis zur Revision des Eherechts 1988 benötigten Frauen die Unterschrift des Mannes, wenn sie ein Bankkonto eröffnen wollten.

Klubs, Plattformen und Zeitschriften

Die Berührungsängste überwinden – das wollte auch Rosmarie Oehninger, als sie sich 1997 mit gleichgesinnten Frauen aus Zürich im Smart Ladies’ Investment Club zusammentat, um eigenes Finanz-Know-how aufzubauen. Der Verein ist offen für alle Frauen. Oehninger erzählt voller Begeisterung, wie sich die Frauen zunächst zusammensetzten, um gemeinsam den Börsenteil der Zeitung zu lesen und zu verstehen. Mit wachsenden Kenntnissen begannen sie, selbstständig zu investieren und systematisch ein eigenes Vermögen aufzubauen. Seit 2017 setzt der Verein zusätzlich auf eine digitale Plattform für Finanzinformationen. Daneben hält Oehninger persönliches Netzwerken weiterhin für zentral, damit Frauen sich untereinander austauschen können.
Anne Connelly, Gründerin des deutschen Online-Magazins herMoney, ist ebenfalls überzeugt, dass Frauen von einem Mix aus digitalen Informationsprodukten und persönlicher Beratung besonders viel profitieren. Frauen, so meint sie, fänden es wichtig, sich umfassend über Geldanlagen zu informieren. In Entscheidungssitua­tionen würden sie zusätzliche Beratung suchen. «Dabei geht es Frauen nicht darum, den Markt zu schlagen, sondern ein Ziel zu erreichen», ergänzt die Finanzfachfrau, die selbst Karriere in der Fondsbranche gemacht hat.

Grosses Interesse an nachhaltigen Anlagen

Dass Frauen der traditionellen Anlageberatung in Banken misstrauen, begründet Connelly auch mit dem miserablen Ruf der Branche: Männliche Berater, so ihre Erfahrung aus zahlreichen Gesprächen mit interessierten Frauen, würden einen grossen Verkaufsdruck aufbauen, den Frauen als unangenehm empfinden, erklärt sie. Sie würden die Sprache männlicher Berater häufig als zu fachtechnisch empfinden. Während diese sehr stark auf den Aspekt der Finanzrendite setzen würden, würden sich Frauen mehr für den gesamten Hintergrund eines Investments interessieren. Daher sei das Interesse an Investitionen in umweltverträgliche und soziale Projekte gross, ergänzt sie.
Rosmarie Oehninger bestätigt diese Beobachtung: «Frauen achten stärker auf den Hintergrund eines Unternehmens und nicht nur auf die Renditemöglichkeiten ihrer Geldanlage. Sie hinterfragen Details und akzeptieren nicht jeden Weg, um erfolgreich anzulegen.» Allerdings zeigt sich da ein Widerspruch: Trotz grossem In­teresse investieren Frauen nicht häufiger in nachhaltige Anlagen als Männer. Die Finanz-Bloggerin Dani Parthum versucht, diese Diskrepanz mit dem unübersichtlichen Markt nachhaltiger Anlagen zu begründen. Intransparente Produkte und mangelnde Standards würden es schwer machen, die Risiken zu kalkulieren.
Die Expertinnen sind sich einig: Eine frauenspezifische Finanzberatung ist dann sinnvoll, wenn die Angebote die individuellen Ziele der Frauen unterstützen und ausreichend Information, Bildung und Vernetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. So kann ein beziehungsorientiertes Geschäftsmodell aufgebaut werden, das Frauen akzeptieren.

Finanzangebote für Frauen

Mehrere Schweizer Banken und unabhängige Vermögensberaterinnen verfügen über frauen­spezifische Beratungs­angebote. Im Non-Profit-­Bereich bietet unter anderem die Frauenzentrale Zürich eine ­Budget- und Vorsorgebe­ratung für Frauen an. Die Frauen­zentrale arbeitet mit selbstständigen Beraterinnen zusammen und stellt ein Pauschal­honorar für die Be­ratung in Rechnung.

Der Smart Ladies’ Investment Club (Slic) ist eine Schweizer Non-Profit-Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, dass Frauen mehr über ­Finanzen wissen und selbstständige ­Entscheidungen in allen Geldfragen treffen können.

Eine nicht ganz neue, aber sehr gute Einstiegslektüre bietet das Buch «Finanzplanung für Frauen. Der Weg zum finan­ziellen Erfolg» von Bettina Michaelis und Cornelia Rappo-Brumann.

Achtung: Frauen zahlen für die gleiche Dienstleistung oft mehr als Männer, die soge­nannte «pink tax». Das kann auch für Finanzgeschäfte ­gelten, wo es besonders einfach ist, anfallende Kosten in den Produkten zu verstecken. Dem US-Finanz­portal ellevest.com wird vor­geworfen, dass es für die frauenspezifische Ansprache höhere Gebühren ­verlange als allge­meine Anbieter. Es ist deshalb wichtig, auch bei einer gelun­genen Ansprache von Frau zu Frau ­kritisch zu bleiben und sich vor Abschluss über alle Honorare und Gebühren, die bei ­einem Vertragsabschluss anfallen, zu informieren. Nur so ­lassen sich Angebote vergleichen und das Für und Wider selbst­ständig abwägen.

Ein erster Schritt zur finanziellen Gerechtigkeit in der Partnerschaft

Geld ist ein Thema, über das Paare häufig ­streiten. Das Drei-Konten-Modell hat sich in der Praxis bewährt, um die Ausgaben ­eines gemeinsamen Haushalts zu regeln. Es kann ein erster Schritt zu gleichberechtigter Verantwortung in Finanz­fragen sein. Das Modell stellt sicher, dass Familien- und ­Erwerbsarbeit gleich viel zählen.

So funktionierts:
  1. «Das ist unser Geld»: Alle Einnahmen des Paares fliessen auf ein Gemeinschaftskonto. Von diesem Konto werden alle Aus­gaben, die beide sowie die Kinder betreffen, bezahlt. Dazu zählen vor allem die Miete (bzw. Zahlungen für eine Hypothek), Lebensmittel, Ferienaufenthalte, Versicherungen und auch Beiträge für eine zusätzliche Altersvorsorge beider.

  2. «Das ist mein Geld»: Das Geld, das auf dem Gemeinschaftskonto übrig bleibt, geht in regelmässigen ­Abständen fifty-fifty auf die Einzelkonten der ­beiden Partner. Damit ­können beide machen, was sie wollen. 

Kommentar der ABS

Und wie macht es die ABS?

Die ABS stellt Anlageberatung von Frauen für Frauen nicht speziell ins Schaufenster. «Das Geschlecht ist nicht per se ­eine Garantie dafür, dass man sich versteht. Die Chemie muss stimmen», stellt Reto ­Gerber, Leiter Anlageberatung, klar. Nach dem ersten Gespräch werden darum alle Kundinnen und Kunden gefragt, ob es für sie mit dem Gegenüber stimmte.
«Die Kundinnen und Kunden dürfen, ja sie sollen ausdrücklich Nein sagen, wenn das nicht der Fall ist», meint Reto Gerber. Denn wie in jeder persönlichen Beziehung geht man in der Anlage­beratung meistens einen langjährigen, gemeinsamen Weg. Wenn es ­dabei für jemanden wichtig ist, dass er oder sie von einer Frau beraten wird, hat die ABS an jedem Standort Beraterinnen und geht gern auf dieses Be­dürfnis ein. Damit in der Beratung wirklich die Bedürfnisse der Kundin oder des Kunden im Vordergrund stehen, sind auch strukturelle Aspekte entscheidend: In der ABS haben die Mitarbeitenden keine Zielvorgaben für den Verkauf von bestimmten Produkten. Zudem kennt die Bank kein leistungsabhängiges Bonussystem. Das hilft, Interessenkonflikte zu verringern.

Text: Simon Rindlisbacher
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