Martin Rohner, in der 2009 gegründeten Global Alliance for Banking on Values (GABV) gibt es inzwischen Mitglieder auf allen Kontinenten. Wird der globale Süden im Netzwerk wichtiger?
Martin Rohner: Ja, während von den zehn Gründungsmitgliedern die meisten aus Europa stammen, haben wir inzwischen viele Mitglieder im globalen Süden. 2020 wurde bei der Jahreskonferenz in Bern die afrikanische GABV-Sektion gegründet. Die Pandemie hat uns anschliessend gebremst. Dennoch haben wir inzwischen sechs Mitgliedsbanken in Nigeria, Uganda und Ghana, in der Demokratischen Republik Kongo und in Madagaskar. Es gab aber auch schon in der Gründungszeit Ausnahmen: Die BRAC Bank in Bangladesch zum Beispiel war von Anfang an dabei. Für Peter Blom von der Triodos Bank, dessen Vision wir die Gründung der GABV verdanken, war von Anfang an klar: «Global» – das heisst nicht nur Europa und die USA.
Mikrofinanz ist im globalen Süden wichtig bei der Armutsbekämpfung und finanziellen Inklusion. Sind Mikrokreditbanken per se werteorientiert?
Nein, man muss genau hinschauen. Wenn eine Bank profitorientiert ist, setzt sie dort an, wo sie am einfachsten Geld verdienen kann. In afrikanischen Kontexten heisst das häufig: in den urbanen Zentren bleiben und klassische Kredite an die Regierung und grosse Unternehmen vergeben. Wenn sich eine Bank aus dieser sicheren Zone heraus bewegt und dringend benötigte Finanzdienstleistungen im ländlichen Raum aufbaut, setzt das eine gewisse Werteorientierung voraus: Um ein Problem zu lösen, engagiert sich die Bank in einem Geschäftsfeld, in dem die Profitabilität noch unklar ist. Letztlich steht immer die Frage: Was sind die treibenden Werte? Profitorientierte Banken haben inzwischen gemerkt, dass sie mit Mikrofinanz zusätzliches Geld verdienen können. Sie machen das nicht aus einer Werteperspektive, um zum Beispiel Frauen Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen und Wege aus der Armut zu öffnen. Für uns bei der GABV ist das Wichtigste bei der Beurteilung einer Bank nicht ihre Produktpalette, sondern die Frage: Ist die Werteorientierung der Ausgangspunkt des Geschäftsmodells, oder ist der Profit die treibende Kraft? Bei Mikrofinanz ist beides möglich, ebenso wie bei konventionelleren Bankdienstleistungen.