moneta: Viele Menschen sorgen sich um die Wärme in ihrem Zuhause diesen Winter. Was erleben und hören Sie?
Walter Tanner: Derzeit wollen alle ihre Holzfeuerungen wieder in Betrieb nehmen, egal, wie alt und verstaubt sie sind. Wir sind nonstop daran, solche Anlagen zu prüfen. Auch wollen viele wissen, ob sie bei alten Kaminen wieder etwas anschliessen können. Beides gibt uns nicht nur zusätzlich Arbeit, sondern bereitet uns auch Sorgen.
Was beunruhigt Sie?
Wir Kaminfeger sehen nur die Öfen und Kamine von Leuten, die uns anrufen … Wir rechnen mit einer hohen Dunkelziffer von Leuten, die ihre Kamine nicht kontrollieren lassen.
Was kann schlimmstenfalls passieren?
Ist ein Kamin massiv verschmutzt, kann es zu einem Kaminbrand kommen. Wenn er undicht oder verstopft ist, gelangen schnell einmal Kohlenmonoxid-Gase in den Wohnraum – und das kann tödlich sein. Man merkt nicht, wenn es sich ausbreitet. Besondere Sorgen bereiten uns Leute, die nicht viel zum Leben haben. Oft wohnen sie in älteren Häusern – ausgerechnet in jenen also, die am stärksten geheizt werden müssen.
Bei einer Gasheizung kann das jetzt richtig teuer werden …
Ja, und auch die Strompreise sind hoch. Ohne Strom läuft die Gasheizung ebenfalls nicht. Jeder, der Holz hat, ist froh darum. Es wird jetzt wie verrückt zusammengekauft und sogar aus den Wäldern gestohlen. Holz ist das neue WC-Papier.
Wissen die Leute mit einer Holzheizung umzugehen?
Nicht alle. Das Holz muss trocken sein. Nasses Holz zu verfeuern ist gefährlich – auch Abfall, Karton oder alte Möbel. Da passieren massive Schäden.
Im Ofen oder in den Lungen?
Beides. Was oben heraus kommt, atmet man gleich wieder ein, und je nachdem sind diese Gase eben giftig, für Mensch und Umwelt. Im Ofen darf wirklich nur naturbelassenes Holz aus dem Wald verfeuert werden.
In Deutschland, wo die Energiepreise noch stärker ansteigen, fürchtet man, dass Leute in ihren Wohnungen offene Feuer entfachen – ohne Cheminée und Rauchabzug.
Selbst wenn bei uns die Preise nicht so stark steigen: Auch hier gibt es Leute, für die die Situation jetzt noch prekärer wird. Wenn das Heizen mehr kostet, muss man sich anderswo einschränken – beim Essen oder der Kleidung. Das ist bereits sichtbar. Manche halten nur noch ihre Küche warm, andere möchten uns gerne zum Kaffee auch ein Stück Kuchen auftischen, vermögen das aber nicht mehr. Ältere Menschen sind besonders betroffen.
Haben Sie noch Zeit, den Menschen zuzuhören?
Momentan sind alle Kaminfeger am Anschlag. Aber ich plane wo immer möglich genug Zeit ein. Den Beruf wählte ich, weil er so abwechslungsreich ist – und auch wegen der Menschen. Ich wollte schon mit sechs Jahren Kaminfeger werden.
Wie geht es Ihnen jetzt im Beruf, angesichts der grossen Veränderungen?
Wir sind schon lange parat dafür. Dass die Fossilen verschwinden, wissen wir ja seit Jahren. Das ist auch richtig so. Mit der Pflege von Lüftungen und den Energieberatungen sind wir auf gutem Weg. Wir profitieren eigentlich stark von der Verlagerung, weil unser Wissen gefragt ist. Die ganze Entwicklung ist spannend für uns.
Sind Sie eine Ausnahme oder bewegt sich die ganze Branche?
Nicht alle machen den Wandel mit, aber insgesamt bewegt sich die Branche. Der Verband bietet auch schon länger Schulungen an.
Sorgen um den Kaminfeger-Beruf sind also nicht nötig?
Nein. Ich kann meinen Lernenden eine Perspektive bieten. Der Beruf war sogar noch nie so spannend wie jetzt, so vielseitig.
Sehen die Leute in Ihnen eigentlich immer noch einen Glücksbringer?
Ja, die Leute wissen darum! Wir haben ein positives Image, und das geniessen wir. Manchmal werde ich auch zu Hochzeiten eingeladen. Und am Neujahrsapéro verteile ich stets Einräppler.
Indem Sie Unfälle vermeiden, sind sie ja tatsächlich eine Art Glücksbringer. Färbt das auf Sie ab? Sie wirken sehr zufrieden …
Ich geniesse es jeden Tag, Kaminfeger zu sein. Die Wertschätzung der Leute geht schon ans Herz, ja.