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07.06.2023 von Stefan Boss

Wie Meghana* mit einem Mikrokredit in die Milch­produktion einstieg

Die junge Inderin Meghana arbeitete als Tage­löhnerin, bis ihr ein Kredit von 550 Franken eine neue Perspektive eröffnete.

* Auf Diskretionswunsch von Meghana nennen wir ihren Nachnamen nicht. 


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Porträts
Foto: Enabling Qapital AG
Um die finanzielle Situation ihrer Familie zu verbessern, kaufte die Inderin Meghana mit einem Mikrokredit eine Kuh.

Meghana wohnt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Avverahalli. Das ist ein kleines Dorf in Süd­indien, etwa 25 Kilometer von der indischen IT-Metropole Bangalore entfernt. Lange arbeitete sie als Tage­löhnerin und verdiente deshalb nur unregelmässig. Um das zu ändern, entschloss sie sich, eine Kuh zu kaufen und in die Milchproduktion einzu­steigen. Dank einem staatlichen ­Förderprogramm gehört Indien heute zu den grössten Milchproduzenten weltweit. Die Milch kommt dabei von Kleinproduzentinnen und -produzenten, wie es Meghana werden wollte. Doch woher das nötige Geld nehmen, um eine Kuh zu kaufen?


Mit 550 Franken zum eigenen ­Klein­unternehmen

Meghana selbst hatte etwas mehr als 5000 Rupien gespart. Der Preis einer Milchkuh betrug aber gut das Zehnfache. Zur Bank gehen war keine Option. Mit ihrem geringen Einkommen hätte sie kaum Chancen auf einen Kredit gehabt. Der jungen Inderin ging es damit wie weltweit rund 1,4 Milliarden Personen, die keinen oder erschwerten Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. Damit gehörte Meghana zur Zielgruppe von Saggraha, einem lokalen Mikrofinanzinstitut. Dort konnte sie sich schliesslich die nötigen 50 000 Rupien ausleihen, umgerechnet rund 550 Franken. So war sie auch nicht auf die lokalen Geldverleiher angewiesen, die in der Regel enorme Zinsen verlangen. 
Die Kuh, die Meghana kaufte, gibt heute pro Tag im Durchschnitt 6 bis 7 Liter Milch. Diese verkauft sie an die lokale Milch­kooperative, die sie zu Joghurt, Käse und Scho­kolade verarbeitet oder als Trinkmilch weiterverkauft. Als Milchproduzentin verdient Meghana heute zwischen 5000 und 6000 Rupien pro Monat und konnte den Lebensstandard ihrer Familie verbessern. 


Schritte aus der Armut

Roger R. Müller, Managing Partner der Enabling Qapital, besuchte Meghana im November letzten Jahres. Seine Firma mit Sitz in der Schweiz investiert über den EMF ­Mikrofinanzfonds gezielt in Mikrofinanzinstitute wie Saggraha in Indien (vgl. Seite 16/17). Er berichtet, dass Meghana stolz sei, es als selbständige Kleinunternehmerin geschafft zu haben – und auch, dass sie vom lokalen Mikrofinanzinstitut als positives Beispiel ausgewählt worden sei. Ihre Geschichte hat es im vergangenen Jahr bis in die «NZZ am Sonntag» geschafft. «Ein Mikrokredit be­deutet häufig einen Start in ein neues ­Leben», hält Roger R. Müller fest. Oft seien es solche kleinen Schritte, die den Menschen einen Ausweg aus der Armut ermöglichten. «Und wer weiss: Wenn sie in zwei, drei Jahren ihren Kredit zurückgezahlt hat, kann sie vielleicht sogar eine zweite Kuh kaufen.»

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