moneta: Frau Nicolussi, wann haben Sie gemerkt, dass es für Ihre Kunst einen Markt gibt?
Claudia Nicolussi: Das dauerte ein wenig. Ich habe ganz lang mit Ton gearbeitet, einfach für mich. Als ich meinen Partner kennenlernte, der gemalt und auch ausgestellt hat, wurde mir klar: Was man im Atelier schafft, zeigt man auch. Unser erstes gemeinsames Atelier hatte ein Schaufenster – und da haben die Leute bald nachgefragt: Kann man das kaufen, und zu welchem Preis?
Und dann haben Sie geschaut, wie hoch Sie gehen können?
Nein, wir haben bewusst ein tiefes Preissegment gewählt. Unsere «Preispolitik» hat zu spannenden Diskussionen geführt: Wie beeinflusst der Preis den Wert einer Sache? Kann wirklich alles mit Geld aufgerechnet werden, und wenn ja, welchen Einfluss hat diese Sichtweise auf die künstlerische Freiheit? Das Resultat war, dass uns die «Profis» unter den Künstler-Kollegen bald einmal Dumpingpreise vorgeworfen haben. Klar, wer seinen Lebensunterhalt mit bildender Kunst bestreiten will, muss hart an seinem «Marktwert» arbeiten. Im Gegensatz dazu wird man als Hobbykünstlerin im Kunstbusiness belächelt und wenig ernst genommen.
Hat das geschmerzt?
Nicht wirklich. Die Reaktion war eher: Okay, wir werden nicht ernst genommen, dann sind wir auch frei. Denn für mich persönlich liegt ausserhalb dieses Wettbewerbs mehr gestalterische und experimentelle Freiheit. Es war uns sowieso immer ein Anliegen, keine elitäre Kunst zu machen. Wie viel Idee, wie viel Prozess steckt in einem gelungenen Werk? Wie soll man das beziffern? Wir sind gesellschaftlich so geprägt, dass wir das Teurere auch als das Bessere empfinden. Diese Prägung wenden wir automatisch auch bei der Kunst an. Und genau diese Denkweise wollen wir aufbrechen und nicht via Preis eine Bewertung an ein Werk heften. Die Leute sollen selber entscheiden, welchen Wert ein Werk für sie persönlich hat.
Also freie Preiswahl?
Das wäre eine Möglichkeit gewesen. Aber wir haben uns entschieden, einfach einen Fixpreis festzusetzen, für alle Bilder und Objekte. 150 Franken, egal ob klein oder gross.
Das ist allerdings günstig. Sie arbeiten bestimmt länger als – sagen wir – zwei Stunden an einem Werk? Natürlich, das reflektiert auf keinen Fall die Arbeitszeit. Aber das soll es auch nicht. Das gehört übrigens auch zur Befreiung: Kunst braucht keine Perfektion, manches, das ich rausgebe, ist vielleicht nicht ganz «fertig». Ich arbeite einfach gern im Atelier.
Kommt es auch vor, dass Käuferinnen oder Käufer mehr zahlen wollen?
Häufig sogar. Dann sage ich jeweils: Gib mir die 150 Franken, und wenn du denkst, dass das mehr wert ist, dann spende den Rest. Nicht mir, an irgendeine gemeinnützige Organisation. Genau brauche ich das gar nicht zu wissen.
Und Sie denken nie: Ich bin ein wenig dumm, dass ich nicht mehr Geld verdiene damit? Wir sagen uns das schon hin und wieder: Ja, vielleicht sind wir nicht so gute Verkäufer. Aber wer weiss: Vielleicht verkaufen wir so ja viel mehr, als wenn wir höhere Preise hätten?
Und die Befürchtung, dass es für manche Leute vielleicht zur Wegwerfkunst wird, bei diesem Preis?
Wir leben ja in der Vorstellung, dass ein Ding nicht geschätzt wird, wenn es keinen hohen Preis hat. Gibt aber der Preis keine Hierarchie vor, findet beim Betrachter eine andere Auseinandersetzung statt, zum Beispiel: Was genau macht es aus, dass mich eine Figur anspricht? Es gibt immer wieder schöne Erlebnisse, wenn ich eines meiner Werke bei jemandem zu Hause entdecke. Ich will nicht Kunst machen, die ihre Achtung daraus gewinnt, dass sie viel gekostet hat. Sondern daraus, dass sie einem gefällt.
Und wenn das nicht mehr der Fall ist?
Dann ist das auch nicht so schlimm. Es kann immer passieren, dass einem ein Kunstwerk nicht mehr anspricht. Dann muss es auch nicht unbedingt zurück auf den Markt und einen guten Preis erzielen. Ich finde die Idee von Kulturschrott gar nicht so unsympathisch. Und solcher geht halt auch mal auf den Müll.