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12.06.2024 von Simon Rindlisbacher

Hier und dort

Lokal ist im Trend. Zumindest im Supermarktregal gilt das «von hier» als Qualitätsmerkmal. Gleichzeitig ist die Schweiz stark global vernetzt. In unterschiedlichsten Bereichen wird fleissig importiert und exportiert. Oft sind wir darauf angewiesen – zumindest, wenn wir den aktuellen Lebensstandard erhalten wollen. Ein Einblick mit Zahlen und Fakten.

Artikel in Thema Global - Lokal

Abfall
Immer stärker wächst das Bewusstsein, dass Abfall eine Ressource ist und in ­irgendeiner Form wiederverwendet werden sollte. So wird Abfall weltweit gehandelt und überquert immer wieder Landesgrenzen – auch jene der Schweiz. Dem BAFU ­wurden 2022 der Export von 3,6 Millionen Tonnen Abfall gemeldet. Importiert wurden im selben Jahr 0,8 Millionen Tonnen. Der grösste Teil der exportierten Abfälle war ­sogenannt notifizierungspflichtig, beispielsweise unverschmutztes Aushub- und ­Ausbruchmaterial oder Altholz. Dieses wird etwa in Italien zur Energieproduktion ­genutzt. Importiert wurden unter anderem auch Siedlungsabfälle, die in der Schweiz in Kehrichtverbrennungsanlagen verbrannt werden, um Energie zu gewinnen. Exportiert werden auch reine Altlasten — sogenannte Sonderabfälle —, die sich nicht mehr als Ressource verwenden lassen. Etwa ein Drittel davon gelangt ins Ausland, weil in der Schweiz die Verwertungsanlagen ­dafür fehlen. Meist handelt es sich um verschmutzten Bodenaushub oder Ausbau­asphalt. Das BAFU erfasst allerdings nicht ­allen exportierten Abfall, sondern nur den bewilligungspflichtigen. 


Gesetze
In den politischen Debatten ertönt immer wieder der Ruf, die Schweiz solle sich nicht von «fremden Richtern» regieren lassen. Über der Schweizer Verfassung dürfe nichts stehen. Fakt ist allerdings, dass unterhalb der Verfassungsebene bereits zahlreiche internationale Verträge die Geschicke der Schweiz mitbestimmen: So gelten zurzeit 3114 solche Verträge, nationale Erlasse sind es «nur» 2122. Die Vernetzung mittels ­völkerrechtlicher Verträge nimmt immer schneller zu und geschieht oft ohne grossen Widerspruch. Am meisten Verträge bestehen zu den Nachbarstaaten; sie regeln Fragen in den Bereichen Energie, Verkehr, Finanzen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und vieles mehr. 


Energie
Während der weltweite Verbrauch von ­Primärenergie* immer weiter steigt, ist er in der Schweiz seit 2010 tendenziell rückläufig — trotz wachsender Bevölkerung. 2010 betrug der Verbrauch 1'181'070 Terajoules, 2022 ­waren es noch 1'025'380. 72 Prozent davon stammten aus dem Ausland, 27 aus dem ­Inland und 2 Prozent aus Lagerbeständen. Je ein Drittel der importierten Energie kam in Form von Kernbrennstoffen und Erdöl­produkten. Bei der im Inland produzierten Primärenergie stammte fast die Hälfte aus Wasserkraft. Damit sieht der hiesige ­Energiemix anders aus als der weltweite Durchschnitt: Dort liefern Erdölprodukte, Kohle und Gas rund 80 Prozent der ­Primärenergie. Auch erneuerbare Energien nutzen wir hierzulande stärker.

* Primärenergie ist die Energie, die von noch nicht weiterbearbeiteten Energieträgern stammt, zum Beispiel Braunkohle, Erdöl, Erdgas, Wasser, Wind oder Kernbrennstoffe. Wird diese Energie aufbereitet, entsteht daraus End­energie, etwa Elektrizität aus Wasser oder Kernkraft.

Lebensmittel
Gemäss Verfassung hat der Bund für eine ­sichere Lebensmittelversorgung zu sorgen – angesichts der ständig wachsenden Bevölkerung eine anspruchsvolle Aufgabe. Von 1990 bis 2014 konnte der Lebensmittelbedarf noch zu rund 60 Prozent mit Produkten aus der Schweiz gedeckt werden. Seither ist dieser sogenannte Brutto-Selbstversorgungsgrad gesunken und betrug 2021 noch 52 Prozent. Der Netto-Selbstversorgungsgrad, der ausschliesslich die mit einheimischen Futtermitteln produzierten Nahrungsmittel berücksichtigt, lag bei 45 Prozent. Auch wenn lokales Essen im Trend ist, sind wir in der Schweiz vermehrt auf Nahrungsmittel aus dem Ausland angewiesen, vor allem auf pflanzliche. Gemessen am Energiewert importieren wir am häufigsten Fette und Öle, Getreidezubereitungen (zum Beispiel Pasta, Müesli oder Brot) sowie Zucker und Zuckerwaren.


Musik
Kunst kennt keine Grenzen – und wenn es um Musik geht, scheint die Grenze zur Schweiz besonders durchlässig zu sein (­zumindest, wenn man die Schweizer Hit­parade als Gradmesser nimmt): Im Jahr 2023 schaffte es nur ein einziger Song aus der Schweiz in die Jahreshitparade. Alle ­anderen stammten aus insgesamt 23 Ländern. An 29 Songs waren Musikschaffende aus den USA beteiligt, gefolgt von 16 aus Deutschland und 7 aus Frankreich.


Baumaterial
Wenn in der Schweiz gebaut wird, dann vor allem mit Beton, der rund 85 Prozent des verbauten Materials ausmacht. Der dafür benötigte Zement stammt zum grössten Teil aus der Schweiz, nur 13 Prozent wurden 2022 aus dem Ausland importiert. Immer wichtiger wird heute Bauen mit Holz. Bei den neu erstellten Gebäuden kommt der Holzbau heute auf annähernd 15 Prozent, Tendenz steigend. 2018 wurden 1,5 Millionen Kubikmeter Holz verbaut. Rund 70 Prozent stammen allerdings nicht aus der Schweiz, wo es nachhaltig geerntet werden könnte, sondern aus dem Ausland. 


CO2
Die Schweiz stösst im internationalen Vergleich gesamthaft nur wenig CO2 aus – wenn man lediglich die inländischen Emissionen betrachtet. Das greift zu kurz: Denn die Schweiz verursacht über den Import von Gütern einen Grossteil ihrer ­Emissionen im Ausland. So verursachte 
2021 jede in der Schweiz lebende Person 8,6 Tonnen im Ausland gegenüber 4,2 Tonnen im Inland. Mit diesen insgesamt 12,8 Tonnen CO2 pro Kopf lag die Schweiz weltweit auf Rang 12. Knapp vor der Schweiz lagen in dieser «Rangliste» Belgien und die USA, knapp dahinter Deutschland. Am meisten CO2 verursachte Katar.


Kleider
Rund 150 Franken gaben die Schweizerinnen und Schweizer in den fünf Jahren vor der Pandemie im Durchschnitt pro Monat für Kleider aus. Der Grossteil wird importiert: 2022 waren es Kleider im Wert von 8,3 Milliarden Franken, 67 Prozent davon stammen aus Asien und 28 Prozent aus Europa. Ex­portiert wurden im selben Zeitraum Kleider im Wert von 2,9 Milliarden Franken, vor­wiegend in europäische Länder. Wie viele Kleider, die in der Schweiz gekauft werden, auch hierzulande produziert wurden, ist nicht bekannt.


Migration
Die Schweiz ist ein Einwanderungsland: Ende 2022 zählte die sogenannte ständige ausländische Wohnbevölkerung 2,3 Millionen Menschen. Diese Zahl ist seit Ende des 19. Jahrhunderts stetig gewachsen. Bis etwa 1890 wanderten mehr Menschen aus dem Gebiet der Schweiz aus als ein. Das ist heute umgekehrt, auch wenn die Zahl der Auslandschweizerinnen und -schweizer von Jahr zu Jahr wächst: Ende 2022 lebten 813'420 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, 60 Prozent mehr als noch 1993.


Waffen
2022 ist der Waffenhandel weltweit angestiegen. Auch Schweizer Unternehmen verzeichneten in diesem Jahr einen Rekord und exportierten Waffen im Wert von 955 Millionen Franken. Gemäss dem jährlichen Bericht des Seco entspricht dies 33'835 Waffen, die in 48 Staaten verkauft wurden. Der grösste Teil davon waren Kleinwaffen und leichte Waffen. Gleichzeitig wurden auch Waffen in die Schweiz importiert, nämlich 13'700 Stück aus 31 Staaten. 



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