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05.12.2018 von Lukas Denzler

Das Geschäft mit Agrarland boomt

Wenn ausländische Investoren im globalen Süden riesige Landkäufe tätigen, hat dies oft negative Folgen für die lokale Bevölkerung. Die internationale Forschungsinitiative Land Matrix sammelt Daten zu diesen grenzüberschreitenden Landdeals. Markus Giger vom Zentrum für Entwicklung und Umwelt an der Universität Bern erläutert, wie die Daten erhoben werden und welche Länder besonders betroffen sind.

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Markus Giger leitet den Sustainability Governance Cluster am Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) an der Universität Bern.

moneta: Herr Giger, was sind die wichtigsten Ziele von Land Matrix?
Markus Giger: Wir wollen mehr Transparenz zu Landkäufen im globalen Süden schaffen. Da die Verträge meistens nicht öffentlich sind, haben die betroffenen Menschen oft kaum Möglichkeiten, sich zu informieren und ihre Anliegen einzubringen. Wir setzen einen Schwerpunkt bei internationalen Käufen oder Pachten von Landwirtschaftsböden.

Oft ist in diesem Zusammenhang auch von Land-Grabbing die Rede.
Wir wollen in erster Linie Fakten dokumentieren und sprechen deshalb von Landdeals. In vielen Ländern sind fehlende Investitionen eben auch ein Problem. Doch diese müssen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Studien zeigen leider, dass Landdeals sich auf die Bevölkerung oft negativ auswirken. Problematisch sind etwa Landverlust ohne faire Kompensation, eine übermässige Bevorteilung von Eliten und die Marginalisierung von Schwächeren oder Frauen. Oft gehen Einkommen und Selbstversorgung für die lokale Bevölkerung verloren.

Wann haben Sie angefangen, Informationen über Landdeals zu sammeln?
2008/09 gab es eine internationale Ernährungskrise. Die Preise für landwirtschaftliche Güter stiegen stark an, und der Agrarsektor geriet in den Fokus der Investoren, weil im Zuge der Finanzkrise neue Anlagemöglichkeiten gefragt waren. Die Medien berichteten plötzlich über riesige Landdeals in Afrika. Über das Ausmass herrschte jedoch Unklarheit. Und deshalb haben wir zusammen mit der International Land Coalition – einem Zusammenschluss von Entwicklungsorganisationen – angefangen, eine Datenbank aufzubauen.

Auf welche Quellen stützen Sie sich ab?
Vor allem auf Informationen von Regierungen, NGOs, Websites und Geschäftsberichte von Firmen, Medienartikel und zunehmend auch auf Forschungsberichte. Aktuell sind wir daran, mit unseren Partnern regionale Netzwerke aufzubauen, sogenannte regionale Focal Points. In fünf ausgewählten Ländern – Argentinien, Senegal, Kamerun, Uganda und den Philippinen – unterstützt Land Matrix auch Initiativen, um noch gezielter Daten zu erheben. Aktuell sind in der Datenbank knapp 1600 Deals mit einer Fläche von fast 50 Millionen Hektar Land verzeichnet. Im Land-Matrix-Bericht von 2016 sind Landwirtschaftsflächen von 26,7 Millionen Hektar aufgeführt, die seit 2000 in die Hand von Investoren übergegangen sind – das entspricht etwa zwei Prozent des landwirtschaftlich genutzten Bodens weltweit. Auf rund 70 Prozent dieser Flächen hat die Nutzung inzwischen auch begonnen. Die Daten von Land Matrix nutzen Organisationen der Zivilgesellschaft, Regierungen, aber auch Forschende für ihre Projekte.

Welche Länder sind am stärksten von Landdeals betroffen?
Mit rund zehn Millionen Hektar Agrarland sind afrikanische Länder am meisten betroffen, aber erstaunlicherweise auch osteuropäische, vor allem Rumänien und die Ukraine. Diese Länder haben viel Ackerland, und es ist offenbar auch möglich, grosse Flächen zusammenzubringen. Weiter betroffen ist Südostasien, wo Palmöl und Kautschuk in grossem Stil angebaut werden. Lateinamerika sticht weniger hervor, vielleicht weil Land Matrix sich bisher auf Landkäufe ausländischer Investoren beschränkt hat, also auf grenzüberschreitende Landnahmen. In Argentinien und Brasilien sind viele Investitionen jedoch inländischer Herkunft.

Aus welchen Ländern stammen besonders viele Investoren?
Zu den Top Five zählen Malaysia, die USA, Grossbritannien, Singapur und Saudi-Arabien. Als Region ist aber Europa mit Grossbritannien, den Kanalinseln, den Niederlanden und Zypern sehr bedeutsam. China belegt hingegen keinen der vorderen Plätze. Auch die Schweiz nicht. Möglicherweise sind aber Schweizer Investoren über die Verflechtung der Finanzströme deutlich stärker involviert. Beim nachgelagerten Handel mit Rohstoffen spielen Schweizer Firmen jedoch bekanntermassen eine prominente Rolle.

Markus Giger leitet den Sustainability Governance Cluster am Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt (CDE) an der Universität Bern. Zuvor war er in Indonesien und für die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Rom tätig. Für das Projekt Land Matrix engagiert sich der Agronom seit dessen Gründung im Jahr 2010.

Land Matrix: Neben dem Zentrum für Nachhaltige Entwicklung und Umwelt der Universität Bern sind bei Land Matrix auch Forschungsinstitute aus Deutschland und Frankreich sowie regionale Partner rund um den Globus beteiligt. Die Finanzierung gewährleisten die Europäische Kommission, das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit.

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