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14.09.2022 von Sylvie Ulmann

Serbeco entwirft eine Welt jenseits von Recycling

Ursprünglich war das Genfer Familienunternehmen Serbeco auf die Abfallentsorgung spezialisiert. Inzwischen hat es seinen Tätigkeitsbereich erweitert. Es zeigt neue Möglichkeiten auf, wie man Ressourcen und damit die Umwelt schonen kann.


Beitrag der ABS
Artikel in Thema Abschied vom Wachstum
Gemäss Bertrand Girod, CEO von Serbeco, hat sich das Abfallvolumen seit 1970 verdreifacht, während die Bevölkerung um 40 Prozent wuchs.
Serbeco ist ein Pionier im Bereich Recycling. Zudem ist das Genfer Familienunternehmen auf den Transport und die Trennung von Abfall spezialisiert. Der Name Serbeco setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der drei französischen Wörter «services», «bennes» und «conteneurs» zusammen – «Dienst­leistungen», «Mulden» und «Container» also. Diese drei Bereiche bildeten bei der Gründung 1977 die Kerntätigkeit des Unternehmens. 1991 wurde es von der Familie Girod übernommen und ist bis heute in deren Besitz. Innerhalb von zwei Generationen ist Serbeco stark gewachsen und hat diversifiziert. Aus dem kleinen Unternehmen mit drei Mitarbeitenden und zwei Lastwagen ist eine Unternehmensgruppe mit 170 Mitarbeitenden, rund 50 Fahrzeugen und drei Unter­nehmen geworden. Geleitet wird Serbeco heute von den drei Brüdern Bertrand, Matthieu und Ludovic Girod. Bertrand übernahm den Betrieb 2012 von seinem Vater, und seine beiden Brüder stiegen gleich mit ein. Matt­hieu übernahm 2019 die kauf­männische Leitung und Ludovic die Leitung der Logistik. 

Umweltschutz und Schonung der Ressourcen im Fokus


«Heute stehen alle unsere Aktivitäten in direktem Zusammenhang mit dem Schutz der Umwelt und der Schonung der Ressourcen», erklärt Bertrand Girod. Neben dem gleich­namigen Unternehmen, das sich weiterhin mit dem Abfalltransport und der Abfallbewirtschaftung befasst, besteht die Serbeco-­Gruppe heute aus dem Unternehmen Énergie Durable, das auf Holzheizsysteme spezialisiert ist, und ProP, einem Unter­nehmen, das in den Bereichen Reinigung und Verleih von Pfandgeschirr für Veranstaltungen tätig ist. Serbeco verdankt einen Grossteil seines Erfolgs der Tatsache, dass die Abfallmenge in der Schweiz richtiggehend explodiert ist. «Das Abfallvolumen hat sich seit 1970 verdreifacht, während die Bevölkerung um 40 Prozent wuchs», erklärt Bertrand Girod. Zwar habe es im Umgang mit Abfall Fortschritte gegeben: Recycling habe inzwischen Vorrang vor Deponierung und Verbrennung, aber der Abfallberg wachse weiter, «und das trotz allen unseren Bemühungen, diese Entwicklung zu bremsen, die uns an die Wand fährt. Es scheint unmöglich zu sein, den Anstieg der Ab­fallmenge vom Wirtschaftswachstum abzukoppeln», seufzt er. 

Fêtes de Genève als Wendepunkt


Es war der Morgen nach einem Fest, der die Serbeco-Gruppe dazu brachte, sich in eine neue Richtung zu wagen. Bertrand Girod erinnert sich: «Wir waren damals für die Abfall­entsorgung während der Fêtes de Genève zuständig. Wir mussten die Quais jeweils bis sechs Uhr morgens sauber machen.» Eine wahre Sisyphusarbeit. Während der Veranstaltung wurde die Seepromenade jede Nacht mit Plastikbechern, Tellern und Besteck zugemüllt. Das brachte das Unter­nehmen auf die Idee, für diese Art von Veranstaltungen Pfandgeschirr zu verwenden. Könnte die Lösung für das Abfallproblem die funk­tionale Ökonomie sein, in der ein und derselbe Gegenstand mehreren Personen dient, nach dem Vorbild des Carsharing- Dienstes Mobility, wo Fahrzeuge geteilt werden? Wie das Problem selbst sind natürlich auch die Antworten vielschichtig. Kann die Lebensdauer eines Materials oder einer Ware verlängert werden, ist die Wieder­verwendung ein Weg, der immer interessanter wird. Um einen Paradigmenwechsel her­beizuführen, muss sich jedoch die Denkweise der Menschen ändern. Serbeco ist sich dessen bewusst und führt deshalb gern Schülerinnen und Schüler durch seine Hallen in Satigny. Denn ein Abfallberg sagt mehr als tausend Worte. Und das Unternehmen geht auch auf seine Kundschaft zu. Diese besteht je zu einem Drittel aus öffentlichen Einrichtungen, Bauunternehmen und In­dus­trie­unternehmen und erhält jeweils zuerst eine Einführung in Abfalltrennung und Recycling. Danach zeigt ihnen Serbeco, wie man Abfall vermeidet, indem man verschiedenen Materialien ein zweites Leben gibt. «Langsam beginnt man, uns zuzuhören, und erachtet die Wieder­verwendung von Abfall sogar als positiv», freut sich Bertrand Girod. 

«Wiederverwendung sexy machen»


Die Idee ist nicht neu, vor allem im Baugewerbe. Viele Gebäude im Zentrum von Genf wurden aus den Steinen der früheren Festungsanlagen gebaut. Und es gibt unzählige neue Häuser, die mit Balken gebaut wurden, die wegen ihrer schönen Patina von älteren Häusern übernommen wurden. Aber zwischen diesen Beispielen und der konsequenten Wiederverwendung von Baustoffen liegen Welten. Auch wenn die Idee heute immer mehr Menschen begeistert, übersteigt das Angebot nach wie vor die Nachfrage. «Ich bin optimistisch, aber nicht naiv. Die Mentalität wird sich ändern müssen, und die Dinge gehen nicht schnell genug voran», stellt Bertrand Girod fest. Er ist davon überzeugt, dass Bildung einer der Schlüssel zum Wandel ist, glaubt aber auch, dass der Weg letztlich über das Portemonnaie führt: «Neuware ist zu billig. Recycelte Materialien sind immer teurer, wie übrigens auch Re­paraturen. Dies könnte sich dank staatlichen Regeln ändern. Wir sollten einen Weg finden, die Wiederverwendung sexy zu machen. Recycling ist im Moment noch der Weg des geringsten Widerstands. Aber es reicht nicht mehr, seine PET-Flasche in den PET-Con­tainer zu werfen. Besser wäre es, eine wiederverwendbare Trinkflasche zu verwenden», erklärt er.

Nachhaltigkeit erhöht zusammen mit der ABS 


Es versteht sich von selbst, dass Serbeco die Ratschläge, die es seiner Kundschaft gibt, auch selbst befolgt. Unterdessen hat das Unternehmen die B-Corp-Zertifizierung erhalten. Das von einer unabhängigen angel­sächsischen Organisation vergebene Label berücksichtigt bei seiner Beurteilung eine Vielzahl von Aspekten: von den Auswirkungen auf die Umwelt über die Transparenz, die Lieferanten und die Produkte eines Unternehmens bis hin zur Unternehmensführung. «Unternehmen, die das Label erhalten, haben mit ihrer Geschäftstätigkeit erwiesenermassen eine positive Wirkung auf die Umwelt und die Gesellschaft.» Um seine Nachhaltigkeit weiter zu erhöhen, hat Serbeco vor kurzem zwei elektrische Maschinen und zwei Elektro-LKWs angeschafft und damit dieselbetriebene Geräte ersetzt. Unter anderem, um dieses Vorhaben zu realisieren, erhielt das Unternehmen einen Kredit von der ABS. «Mit der ABS teilen wir unsere Philosophie und die Sensibilität für Nachhaltigkeit. Das schafft eine Verbindung und hilft, sich besser und schneller zu verstehen», sagt Bertrand Girod, betont aber, dass dies nicht das einzige Kriterium war: «Unsere Wahl ­beruht auf Werten, der Qualität der menschlichen Beziehung, dem Service, der Reak­tionszeit, aber auch auf der Wettbe­werbs­fähigkeit. Und selbst in diesem Bereich konnte die ABS – die mit anderen Banken in Konkurrenz stand – mithalten», lobt er.
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