Wie kommt es, dass diese Idee des Lernens im Stillsitzen seit so langer Zeit dominiert? Eine Antwort mag die traditionelle Körper-Geist-Trennung liefern, die sich über Jahrhunderte durchsetzte und von Joseph Beuys mit dem schönen Ausspruch «Ich denke sowieso mit dem Knie» unterwandert wurde. Unser Körper ist immer Teil unserer Ausdrucksmöglichkeiten. In philosophischen Traditionen erschien er aber wie ein überflüssiges Anhängsel, das mit seinen niedrigen Bedürfnissen vom ernsten Denkgeschäft ablenkt. Rodins berühmter Denker, der seinen schweren Kopf in seine Hand stützt, demonstriert die Vorstellung, dass Denken eine statische, ernste, vornübergekrümmte, männliche Angelegenheit sei. Diesen Gedanken stellt die Philosophin Judith Butler im Buch «Cluster» über das Tanzstück von Sasha Waltz infrage: «Denn wir sprechen, jedoch sitzend. So stellen wir uns zu einem gewissen Grad still, machen uns unbeweglich, um zu sprechen. (...) Wenn wir sprechen, dann ordnen wir die Bewegung dem Sprechen unter, weil wir davon ausgehen (...), dass die Bedeutungen, die zu übermitteln sind, durch Worte übermittelt werden. (...) In diesem Falle wäre Sprechen die Bewegung eines Körpers, der so tut, als ob das Sprechen keine Bewegung sei.» Das Sprechen formt sich ja letztlich aus einer Denkbewegung. Das Paradoxe ist: In der Hektik des allzu mobilen Tagesgeschäfts fehlt die Ruhe, die uns auf einem Spaziergang oder im verträumten Nachsinnen innerlich aufwecken kann. Das Irritierende springt uns unvermutet an, aber nur, wenn wir die nötige Musse haben: das, was uns verwirrt, weil wir es vorher noch nie bemerkt haben. Ein Geräusch, ein fremdes Gesicht, ein seltener Vogel, alles, was uns daran erinnert, dass auch wir im Grunde nicht jeden Winkel unseres Inneren bereits kennen. Geistige Mobilität ist so gesehen die kreative Suche nach Sinn und Versprachlichung, das Entwirren diffuser Gedankenbündel. Der Schriftsteller Robert Musil schreibt in seiner Novelle «Die Amsel» den denkwürdigen Satz: « ... wenn ich den Sinn wüsste, so brauchte ich dir wohl nicht erst zu erzählen.» Anfügen können wir dem noch: Und wüsste ich, wohin ich mich bewege, so bräuchte ich mich nicht auf den Weg zu machen.