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19.09.2018 von Sylvie Ulmann

Eine städtische Oase

2011 kam eine Handvoll Familien aus Neuenburg auf die Idee, ein ökologisches Haus in der Stadt mit einem Gemeinschaftsgarten bauen zu lassen. Sie fanden das ideale Stück Land dafür und den geeigneten Architekten. Doch fast wäre das Projekt wegen eines Planungsfehlers gescheitert. Dank der Hartnäckigkeit der zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner und der Hilfe der ABS wird das Haus im nächsten Frühling fertig sein. Rückblick auf ein Projekt mit ständigem Auf und Ab.


Beitrag der ABS
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Die Initianten des Projekts zeigten viel Hartnäckigkeit (von links): Fabien Nicolet, Christopher Richard, Gaëtan Milliard, Yves Froidevaux.
Im Mai 2019 ziehen endlich die ersten Mieterinnen und Mieter ins Gebäude der Genossenschaft Coopérative d’en face (CDEF) ein. Auf der Parzelle «Vieux-Châtel», nur wenige Gehminuten vom Bahnhof Neuenburg entfernt, entstehen insgesamt 21 Wohnungen. Das Areal, auf dem sich einst die Stadtgärtnerei befand, gehört der Stadt Neuenburg. Einige verfallene Gebäude, die sich noch auf dem Grundstück befanden – darunter ein Holzschuppen –, wurden renoviert und beherbergen jetzt Wohnungen: drei 3-Zimmer-Maisonettewohnungen, einen Gemeinschaftsraum, die Waschküche und die Kellerräume. Die anderen achtzehn 1- bis 5-Zimmer-Wohnungen sind in einem direkt dahinter liegenden Neubau untergebracht. Das neue Gebäude ist ein kompakter Bau mit einer Betonstruktur und Holzbauelementen sowie einer 44 Zentimeter dicken Wärmedämmung. Es wird ans Fernwärmenetz angeschlossen. Die 103 Photovoltaik-Elemente auf dem Dach produzieren 30 000 kWh Strom pro Jahr und decken somit zwei Drittel des Strombedarfs der 21 Haushalte. Rund vierzig Prozent des Solarstroms werden für den Eigenverbrauch genutzt, der Rest wird ins Netz eingespeist.

Projekt der CDEF überzeugt die Stadt

Das Abenteuer der Genossenschaft CDEF begann 2011. Sieben Familien träumten von ökologischem Wohnraum im Stadtzentrum – ohne Parkplätze, dafür mit Velos für alle, da es ihnen logisch erschien, in der Stadt auf den Langsamverkehr zu setzen. Die Stadt Neuenburg ihrerseits wollte das Areal «Vieux-Châtel» aufwerten und darauf Wohnungen errichten. Zuerst entschied sich die Stadt für einen Immobilienentwickler, der auf dem Grundstück 34 Wohnungen und Parkplätze errichten wollte. Das Konzept entsprach zwar dem Anspruch nach innerer Verdichtung, doch es stiess bei den Anwohnerinnen und Anwohnern auf Widerstand. Diese hatten nichts gegen einen Neubau, sehr wohl aber gegen die Zubetonierung des Grundstücks, und forderten die Errichtung eines Parks.

Die Stadt ging noch einmal über die Bücher und erstellte in einem partizipativen Prozess mit den im Quartierverein organisierten Anwohnerinnen und Anwohnern ein städtebauliches Konzept. Dieses begrenzt die Nutzung der Fläche auf den Bau eines einzigen vierstöckigen Gebäudes und eines Gartens sowie den Umbau der bestehenden Gebäude unter Wahrung ihres architektonischen Charakters. Der Bau einer Garage wurde ausgeschlossen, denn die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner sollten auf Privatautos verzichten. Das Projekt der CDEF, das auf ethischen Richtlinien beruht und dem Langsamverkehr den Vorzug gibt, erfüllte diese Anforderungen geradezu perfekt. So räumte die Stadt der Genossenschaft ein Baurecht für die Dauer von siebzig Jahren ein. Dieses wird nun sogar auf 99 Jahre verlängert, um die Kreditgeberinnen und -geber zufriedenzustellen und somit die Finanzierung zu erleichtern.

Verzögerungen wegen eines Berechnungsfehlers

Das städtebauliche Konzept verlangte zudem die Durchführung eines Architekturwettbewerbs. Eine Arbeitsgruppe aus rund fünfzehn Mitgliedern der Genossenschaft erarbeitete die Wettbewerbsvorgaben. Yves Froidevaux, Gründungsmitglied und Mitglied des Genossenschaftsrats der CDEF, vertritt aktuell die Bauherrschaft und überwacht ehrenamtlich die Arbeiten auf der Baustelle. Er erinnert sich: «Es war uns wichtig, ein gutes Gleichgewicht zwischen öffentlichem und privatem Raum zu schaffen. Wir wollten, dass Begegnungsräume vorhanden sind, dass aber auch jede Wohnung über ihren eigenen privaten Aussenraum verfügt. Um die Durchmischung zu fördern, wollten wir Wohnungen sehr unterschiedlicher Grösse.» Die Wohnungsgrösse entscheidet darüber, an wie viele Personen die Wohnung vergeben wird: Die 2-Zimmer-Wohnungen sind für Einzelpersonen vorgesehen, während die 5-Zimmer-Wohnungen Haushalten mit mindestens vier Personen vorbehalten sind. Die Neu- und Umbaukosten wurden von der Immobilienberatungsfirma Wüest & Partner auf 6,5 Millionen Franken geschätzt. Ende 2014 beteiligten sich neun auf ökologischen Wohnungsbau spezialisierte Architekturbüros am Wettbewerb, den das Büro 123 Architekten aus Biel schliesslich für sich entschied. Die im Siegerprojekt vorgeschlagene Block-anstelle einer Riegelform überzeugte die Jury, bestehend aus Achitektinnen und Architekten sowie Vertreterinnen und Vertretern der Stadt Neuenburg, des Quartiervereins und der Genossenschaft.

Die Bauarbeiten wurden aber letztlich erst im September 2017 aufgenommen, denn in der Zwischenzeit standen die Mitglieder der CDEF vor der grossen Herausforderung, die Finanzierung des Projektes zu sichern. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass sich die Immobilienexpertinnen und -experten verrechnet hatten. In ihren Berechnungen hatten sie sich auf den Durchschnittspreis einer Standardwohnung in Neuenburg gestützt. Doch die Kosten für den Neubau der CDEF, der dem städtebaulichen Konzept genügen und dem Minergie-P-Standard entsprechen sollte, waren fünfzig Prozent höher. Das war ein Schock.

Die tapferen Genossenschafterinnen und Genossenschafter liessen sich von diesem Rückschlag jedoch nicht entmutigen. Sie waren bereit, Kompromisse einzugehen, um ihren Traum zu retten, und überarbeiteten ihr Projekt. So stieg die Anzahl Wohnungen von 17 auf 21. Man verzichtete auf das Gästezimmer und auf die Dachterrasse auf dem Hauptgebäude. Die Grösse des Gemeinschaftsraums wurde verringert. Doch trotz aller Bemühungen lag das Budget noch immer bei 9,7 Millionen Franken.

Breit abgestützte Finanzierung

Die Genossenschaft begab sich auf die Suche nach der Finanzierung. Der Kanton gewährte ihr ein Darlehen von 700 000 Franken auf 25 Jahre, der Dachverband Wohnbaugenossenschaften Schweiz gab eine Million mit gleicher Laufzeit, die Stadt sprach 196 000 Franken auf dreissig Jahre. Dazu kamen die Genossenschaftsanteile und private Darlehen, doch es galt immer noch, eine Bank zu finden, welche die restlichen 6,4 Millionen ausleihen würde. «Wir wollten mit einer Bank arbeiten, deren Philosophie mit unseren ökologischen, ethischen und gesellschaftlichen Vorstellungen in Einklang steht», betont Yves Froidevaux. Damit waren die traditionellen Grossbanken aus dem Rennen, und es gab nur noch eine Handvoll Anbieter. Die ABS kam schnell ins Spiel: «Mehrere Genossenschafter haben ihr Konto bei der ABS und kannten sie bereits. Doch vor allem teilt sie im Gegensatz zu anderen Banken die Werte, die uns wichtig sind. Sie ist langfristig und nicht auf Spekulation ausgerichtet. Wir sprechen dieselbe Sprache! Bei der ABS fühlten wir uns sofort verstanden», fasst er zusammen.

Die Gespräche begannen 2015, doch die Bank musste den Enthusiasmus schnell dämpfen. Es fehlte an Eigenkapital. «Wir hatten den Genossenschaftsanteil auf 2000 Franken festgesetzt. Das ist sehr tief, doch die Idee war, wirklich die Durchmischung zu fördern», erläutert Froidevaux.

Die Genossenschafter versuchten schliesslich erneut, ihr Projekt zu redimensionieren, doch es war unmöglich, weitere Abstriche zu machen, ohne auf wesentliche Punkte zu verzichten. «Wir zogen sogar in Betracht, zwei zusätzliche Geschosse zu bauen, doch dazu hätte das ganze Verfahren neu aufgerollt werden müssen: die Planauflage, der Wettbewerb usw. Das hätte den Baubeginn um fünf bis zehn Jahre verzögert.» Die Verzögerung hätte das Projekt gefährden können, denn seit 2011 hatten bereits fünf Familien, die zu den Initiantinnen und Initianten gehört hatten, das Handtuch geworfen – glücklicherweise waren aber auch neue Genossenschafterinnen und Genossenschafter dazugekommen. Es blieb nur eine Lösung: den Preis für die Genossenschaftsanteile zu erhöhen. «Wir einigten uns schliesslich auf 7000 Franken pro Genossenschaftsanteil. Das ist viel mehr, als wir anfänglich vorgesehen hatten, doch es blieb im Vergleich mit ähnlichen Genossenschaftsprojekten vernünftig», bekräftigt Froidevaux. Die Wohnungsgrössen sind glücklicherweise unterschiedlich genug, um eine gewisse soziale oder zumindest altersmässige Durchmischung zu gewährleisten. Die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner – bisher dreissig Erwachsene und zehn Kinder – sind zwischen 2 und 72 Jahre alt. Dazu werden noch weitere kommen, denn eine 3-Zimmer-Wohnung und ein Studio suchen zurzeit noch Abnehmerinnen oder Abnehmer. Interessierte bitte melden! Auch ein Eintrag auf der Warteliste lohnt sich, denn die persönliche Wohnsituation kann sich schnell ändern.
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